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Haus Moriah Nachrichten Apostelgeschichte 2019-10 28-01

Apostelgeschichte 2019


 

 Pfarrer Kurt Faulhaber 

 

Vorweg: Vielleicht gehören Sie zu denen, die sich wundern, mit mir weder per Email noch per WhatsApp in Verbindung zu kommen. Das liegt daran, dass mir mein Handy wie mein Tablet geraubt wurden. Zwar kann ich Geräte von Bischof Nann benutzen, aber auch Adressen sind mir dadurch verloren gegangen. Erreichbar bin ich (wie üblich) über kurtfaulhaber@t-online.de, Handy und WhatsApp neuerdings +51 954 442 153.

Montag, 28. 1. Gott schreibt in die Herzen

Inzwischen bin ich schon eine Woche in Caravelí und wohne im Haus von Bischof Reinhold Nann. Es war die Woche der „misiones familiar“. Die Erfahrungen und Reflexionen darüber sind noch am Werden und im Fluss. Ich versuche, ihnen nachzukommen.

Was auch immer auf Castellan geredet wird, ich verstehe fast nichts. Außer ein paar Brocken kann ich mich nicht mitteilen. Schweigend von unbekannten Lauten umgeben – das ist die Normalität. Nachdem das Schreiben einer Schriftrolle in Ecuador die anderen nicht berührte, geht es hier auch nicht über das Wort.

Das Herz kann sprechen auch ohne Worte, hatte ein peruanischer Priester gesagt. Das muss ich lernen. Wir schreiben auf Schriftrollen aus Papier. Gott schreibt in die Herzen. Mit menschlichen Herzen. Hier will ich die Schriftrolle der Herzen entdecken.

Ein 11jähriger Junge der misioneros namens Ignacio langweilt sich; es sind keine Gleichaltrigen da. Jeden Tag liest er mir eine Stunde langsam spanisch vor. Er kann kein Wort deutsch. Was ich nicht verstehe, versucht er mir zu erklären. Beim Abschied weint er.

Zwei Seminaristen von den ersten Tagen in Trujillo sind hier; dort fiel das Wort von der „Rolle einer neuen Pastoral“. Es sind Emilio und Gustavo. Begegnungen ohne Worte, ein Missverständnis. Und doch werden die Begegnungen herzlicher.

Auf die „ambrazos“ habe ich mich eingestellt. Geht schon fast selbstverständlich. Aber das Herz ist noch nicht wirklich nachgekommen.

Gott schreibt mit Herzen in Herzen. Doch mit dem Körper. Cuerpo a cuerpo, sagt Papst Franziskus.

Misiones familiäres

Apg2019
Über die misiones wäre viel zu berichten. Ich beschränke mich auf eine kurze Beschreibung und einige Anmerkungen.

50 Personen gehören dazu. 15 von ihnen sind Argentinier; sie führen die Peruaner ein, die es zum ersten Mal machen. In der Hauptsache Familien mit Kindern jeglichen Alters. Einzelpersonen werden für diese Tage von einer Familie „adoptiert“. Man lebt in Sälen des Seminars, auf Matratzen auf dem Boden. Auf das reichliche Essen wird mehr Wert gelegt als auf die Räumlichkeiten. Ich erlebe immer beste Stimmung.

Am Morgen geht man in Familiengruppen von Haus zu Haus. Mit einem Pilgerheiligtum: dem Marienbild von Schönstatt. Zweimal bin ich dabei. Man läutet oder klopft. Wo jemand da ist und öffnet, stellt man sich vor. Es gibt ein Gespräch unter der Tür, oder man wird in die Wohnung eingeladen.

Eine Begegnung gebe ich wieder; sie ging mir am meisten nahe. In einer angefangene Baustelle, eine Frau trägt für uns schmutzige Plastikhocker herbei. Ein Kind liegt auf ihrem Schoss. Sie erzählt: Ihr Mann arbeitete in den Minen oberhalb der Stadt. Dort hat er gut verdient. Also fingen sie an zu bauen. Aber er ist Alkoholiker. Jetzt ist er fort, sucht Gelegenheitsarbeiten. Sie lebt mit zwei Kindern in einer Unterkunft hinter der Baustelle. Weiterbauen geht nicht mehr. Wir beten mit ihr – wie mit allen, zu denen wir kommen. Dem Gebet stimmen alle sofort zu. Meine Aufgabe ist es zu segnen. Mit viel Weihwasser. Auch auf der Polizeistation. Der Chef ruft dazu alle seine Kollegen zusammen.

Apg2019
Es gibt viel Armut und Einsamkeit der Alten. Die Jungen sind in die Städte gezogen.

Am Nachmittag ist Schulung der misioneros. An einem Nachmittag darf ich von zwei meiner Begegnungen mit Pater Kentenich erzählen.

Am Spätnachmittag ist dann ein weiterer Einsatz: diesmal Singen, Gespräche und Begegnungen auf je einem Platz der Stadt oder Spiele mit Kindern.

Dienstag, 29. 1.

Misiones aus der Perspektive der Pastoral am Puls.

Einige Anmerkungen nach einem Gespräch mit Bischof Nann.

Drei Auffälligkeiten sind eine Herausforderung an die Pastoral am Puls.

Die Misioneros gehen hinaus aus dem binnenkirchlichen Raum, „an die Ränder“, die „Peripherie“ nach den Worten von Franziskus. Sie wissen vor keiner Tür, was sie erwartet.

Es ist eine Mission der Laien. (Selbst der Ortspfarrer und der Bischof lernten das Projekt erst durch die Laien kennen; P. Esteban, der damit viel Erfahrung hat, führte die Neuen ein und schulte sie.) Keine Hauptberuflichen. Keine Finanzmittel. (Die Peruaner übernahmen die Kosten für die Argentinier. Sie sammelten Spenden.)

Es ist eine Mission durch Familien. Als ich mit ihnen in die Häuser ging, dachte ich: Sie vermitteln den Menschen eine neue Erfahrung von Kirche: Laien, Familien, die sich zu ihnen setzen, zuhören, mit ihnen beten, sie segnen, sie einladen.

Zunächst vermisste ich das Spezifische der Pastoral am Puls: darauf zu achten, wo und wie Gott handelt und davon das eigene Vorgehen bestimmen zu lassen. Hier ist ein Konzept, das schon mitgebracht und entsprechend durchgeführt wird. Auch schien mir, dass man beim Austausch am Abend („evaluaciones“) mehr aufgetretene Fragen klärt und Erlebnisse erzählt als dem Handeln Gottes nachzugehen.

Doch da belehrte mich Bischof Nann eines Anderen.

Das Religiöse ist für die Leute hier eine Selbstverständlichkeit. Wenn sie mit dem Pilgerheiligtum ein Haus betreten, ist das für sie gleichbedeutend, dass jetzt die Gottesmutter mit ihnen das Haus betritt und dass sie jetzt wirkt. Und die Menschen freuen sich, dass die Gottesmutter zu ihnen auf Besuch kommt. (Ich denke an eine alte, einsame Frau, mit welcher Innigkeit sie da Mta geküsst und wieder geküsst hat). Manche möchten, dass das Pilgerheiligtum und damit die Gottesmutter bei ihnen bleibt. Und wenn wir sie einladen zum Gebet, sagen sie ja und beten mit. Die misioneros lassen ein kleines Bild der Gottesmutter da und einen Rosenkranz. Alles, was die Menschen berührt, wie sie mitmachen, was in ihnen ausgelöst wird: alles hat die Gottesmutter bewirkt.

Aber:

Es hat sich etwas zu verändern begonnen. Das habe ich schon mehrmals von nachdenklichen Menschen zu hören bekommen. Die Selbstverständlichkeit des Religiösen geht zurück. Am meisten merkt man es bei den Jugendlichen. Vor ein paar Jahren noch, wenn die Pfarrei zu etwas einlud, da kamen sie in grosser Zahl. Da war etwas los, da war keine Langeweile, es kostete nichts. Jetzt haben sie das Internet. Das fasziniert. Der Individualismus nimmt zu.

Bei meinem Fragen: Was wird stärker sein? Was wird sich durchsetzen? bekomme ich zu hören: der europäische Säkularismus und Individualismus. Er scheint die globale Zivilisation zu durchdringen.

Das scheint mir ein entscheidender unterschiedlicher Hintergrund der misiones hierzulande und der Pastoral-am-Puls zu sein:

Die Gegenwart und das Handeln des lebendigen Gottes inmitten des Lebens ist bei den hiesigen misiones „noch“ eine Selbstverständlichkeit.

In der Pastoral-am-Puls können wir diese Erfahrung nicht voraussetzen (auch nicht im kirchlichen Leben); wir entdecken sie neu.

 

Fortsetzung

 

 

 
 

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