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Haus Moriah Nachrichten Apostelgeschichte 2019-12 11-02

Apostelgeschichte 2019


 

 Pfarrer Kurt Faulhaber 

 

11. Februar 2019 - Die neue Strategie

Ich komme von einem Gespraech und denke: Eben bin ich mit der Pastoral am Puls hier in hohem Massse angekommen. Darum will ich das Gespraech wiedergeben.

Mit einer wesentlichen Einschraenkung: Ich weiss nicht, ob ich meinen Gespraechspartner wirklich verstanden habe. Es ist Miguelangel. Zweimal am Tag gehe ich zu ihm zum Spanischlernen. Und weil meine Schwaeche die freie Kommunikation ist, suchen wir uns Themen, ueber die wir reden. Dabei muessen wir muehsam nach Worten suchen (er spricht kein deutsch), ich wiederhole seine Worte, er korrigiert mich. Es sollten Alltagsthemen sein, aber ich frage ihn auch nach den Unterschieden im Charakter der Peruaner und der Kolumbianer (er ist von dort), nach dem Drogenkrieg in Kolumbien. Heute wollte er eine weitere Frage von mir.

Zu seiner Person: Er ist auf dem Weg zum Priestertum, in Kolumbien gab es Schwierigkeiten; jetzt wuerde er gerne Priester bei Bischof Nann werden. Der hat ihm zum besseren Kennenlernen und Entscheidenkoennen eine Zeit der Taetigkeit hier im kleinen Seminar angeboten. “Los Seminaristas” sind Jungen, die eine hoehere Schule besuchen und in einem kirchlichen Internat sind. Es sind hier weniger als zehn.

Jetzt gebe ich das Gespraech wieder und wiederhole: Was ich hier ausfuehre, fand in Wirklichkeit mit einfachsten Worten statt, und es koennen Missverstaendnisse drin sein.

KF Schon mehrmals wurde mir gesagt, die Jugendlichen seien in den Pfarreien zunehmend schwerer erreichbar. Sie surfen lieber im Internet als zu Veranstaltungen der Pfarrei zu gehen.

Ma So ist es. Wir brauchen eine neue Strategie fuer sie.

KF Und welche?

Ma Evangelisierung.

KF Was heisst das?

Ma neue Methoden der Evangelisierung

KF Das ueberrascht mich. Lateinamerika gilt doch als Vorreiter der Evangelisierung seit Jahrzehnten. Hier wurden doch neue Methoden gefordert und praktiziert.

Ma Ja, aber jetzt brauchen wir eine neue Strategie. Die Jugend entfernt sich von Gott.

KF Ist es nur die Jugend?

Ma Nein, aber bei der Jugend wird es sichtbar.

KF Bitten sagen Sie mir, welche Strategie, welche Methoden Sie meinen.

Ma Wir muessen die Jugend mit den Mitteln der Technik und der neuen Medien ansprechen.

KF Sagen Sie mir: Ist es die Technik als solche? Ist es die Faszination der neuen Medien? Oder sind es die Inhalte dieser Medien? Ist es die Faszination einer anderen Welt, die sich ihnen da auftut? Neue Ideen, neue Moeglichkeiten, Liberalismus, eine andere Lebensweise usw.?

Ma Ja, genau das ist es. Die Jugend ist angetan von dem, was aus Europa kommt. Vom Materialismus.

KF Meinen Sie, die Unterschiede sind gar nicht so gross zwischen der europaeischen und der lateinamerikanischen Jugend, jedenfalls in der Wurzel, wenn auch in den Formen und den zeitlichen Entwicklungen unterschiedlich?

Ma So ist es. Unsere Jugend bewegt sich weg von Gott. Und von der Kirche.

KF In Europa ist sie in ihrer grossen Mehrheit schon in grosser Distanz zur Kirche. Und auch zum Glauben.

Ma Wir erreichen die Jugend als Kirche nicht mehr. Wie erleben Sie unsere Seminaristen?

KF Um dazu etwas zu sagen, habe ich noch viel zu wenig erlebt.

Ma Welchen Eindruck haben Sie von ihnen?

KF Eine Beobachtung kann ich Ihnen nennen. Beim Fest war ich in der Bank hinter ihnen. Ich habe mich gewundert: Bei Gebeten, bei den Antworten in der Liturgie habe ich sie nicht gehoert. Die Muender haben sich etwas bewegt.

Ma So ist es immer.

KF Und noch eine Beobachtung. Am Sonntag waren die Kinder und Jugendlichen vom Kinderheim in der Kirche. Sie sassen im hinteren Teil der Kirche. Padre Renzo, Sie und ich waren am Altar. Ich hatte den Eindruck: Unsere Welt hier vorne ist nicht ihre Welt. Da existieren zwei Welten nebeneinander her. Wir bewegen uns in unserem Kreis; sie in ihrem. Dazwischen ist ein Graben. Wir reden von vorne auf sie ein. Aber was geht eigentlich in ihnen vor?

Ma Wir erreichen sie nicht. Auch unsere Seminaristen nicht.

KF Ich muss an die Worte eines Inders denken, der vor langer Zeit in Europa das Christentum kennenlernen wollte. Er kehrte nach Indien zurueck und sagte: Die Menschen in Europa sind wie Kieselsteine. Seit Jahrhunderten sind sie vom Wasser umspuelt, aber in ihr Inneres dringt kein Tropfen Wasser ein. So ist das Christentum nicht in das Innere der Menschen gelangt.

Ma So ist es auch bei unseren Seminaristen. Aber auch bei den Erwachsenen. Haben Sie gesehen, wie sie kommen, um die Prozession der Virgen zu erleben? Aber die Kirchen bleiben leer. Das Fest begeistert die Leute. Aber es ist das Essen und Trinken, der Stierkampf, all das Drumherum. 
Was fuer einen Weg sehen Sie, die Menschen fuer Gott zu gewinnen?

KF Das ist der Grund, warum ich hier in Lateinamerika bin.
Wir sagen: Wir erreichen die Menschen nicht mit Gott.
Aber Gott ist in ihrem Leben. In ihrem Herzen. Wir sollten Gott in ihnen entdecken.

Ma Ja, wir sollten mehr hoeren.

KF Ja, in ihre Herzen, in ihr Leben hineinhoeren, auf ihre Geschichten hoeren, auf ihre Hoffnungen und Passionen hoeren. Und sie dann fragen: Wo findest du Gott in deinem Leben?

Ma Genauso sehe ich das auch.
Es braucht Zeugen. Zeugen mit lebendigen Erfahrungen mit Gott.

KF Das ist ein Weg von Mensch zu Mensch. Von Herz zu Herz. Er braucht Zeit, Naehe, Zuwendung. Damit werden wir nicht schnell die Masse erreichen.

Ma Es kommt nicht auf die Quantitaet an.

KF Ich meine, fuer diesen Weg sind die Voraussetzungen hier in Lateinamerika sehr viel guenstiger. Es ist hier noch viel mehr menschliche Naehe, Emotionalitaet da.

Ma Ja, in Europa lebt man in groesserer Distanz zueinander.

KF Sie leben mit den Seminaristen. Sie arbeiten mit ihnen, spielen mit ihnen Fussball. Sie sind keine Autoritaet weit ueber ihnen.

Ma Ja, so ist es.
Die einen kann man im Herzen mit Gott beruehren, die anderen nicht.

KF Nach unserem Gespraech muss ich sagen: Es ist doch mehr noetig als neue Strategien mit Hilfe der Technik. Man muss die Medien zwar nuetzen.
Wir haben in Deutschland da viele Moeglichkeiten, haben das Geld dazu, haben kirchliches Personal. Aber deswegen haben wir die Jugendlichen nicht. Die Technik kann ihnen immer Interessanteres bieten als die Kirche. Die Technik sollten wir einsetzen. Aber sie ist sekundaer.

Ma Ja, Gott ist das Zentrale.
Und der Weg zu Gott ist der Weg zum Glueck.

KF Es freut mich, dass wir in unserer Sicht so nahe beieinander sind.

Das Gespraech geht mir sehr nach. Ich habe die Menschen und auch die Seminaristen als echt religioes erlebt.

Da war zum Beispiel eine Situation beim Pilgern vom Pass herunter in die Stadt. Ich war ueberrascht, dass auch die Seminaristen dabei waren, frueh aufgestanden waren. Ich fragte zwei: Wer hat euch dazu eingeladen? Oder seid ihr dazu verpflichtet? Als ich die Antwort nicht verstand, sagte einer: Wir sind da aus Liebe zur Virgen.

(Dazu habe ich Miguelangel noch einmal befragt. Er sagte mir: Als der Hausrektor den Seminaristen vorschlug, am Pilgern teilzunehmen, wollten sie nicht. Daraufhin machte er es obligatorisch fuer alle.

Meine Frage: Dann war die Antwort des Jungen (aus Liebe zur Virgen) auch die obligatorische Antwort?

Miguelangel: Ja!

(Ich meine, auch Bischof Nann sieht da viel mehr echte Religiositaet. Ich muss mit ihm darueber sprechen. Diese Woche ist er weg. Bei einer Initiative zur Familienkatechese. Ein Herzensanliegen von ihm.)

 

Fortsetzung

 

 
 

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