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Haus Moriah Nachrichten Apostelgeschichte 2019-14 01-03

Apostelgeschichte 2019


 

 Pfarrer Kurt Faulhaber 

 

Der beste Wein zuletzt

Abancay, 1. März 2019

Exerzitien des Klerus der Prälatur Caravelí in Abancay. Viele Stunden Fahrt mit Bus und Flugzeug dorthin. Höher in den Anden. Malerische Stadt, von allen Seiten umgeben von hohen Bergen. Auch Sitz eines Bischofs. Wir waren im Priesterseminar untergebracht. Ein neuer Regens begrüßt uns, so um die vierzig. Als er selber hier war, waren sie über 20 Priesterkandidaten, jetzt ist er Regens für 2.

Padre Francisco hat die Predigten von Papa Francisco an die Priester vom Gründonnerstag 2013 bis 2018 zum Thema, täglich zwei.

Ich möchte meine eigene Befindlichkeit beschreiben, um den letzten Tag der Exerzitien umso mehr hervortreten zu lassen.

Ich setze mich zu Füßen von P. Francisco, um seine Aussprache gut zu verstehen. Aber vom Inhalt verstehe ich nahezu nichts. Wenn mal ein Wort kommt, das ich akustisch gut verstehe, aber nicht übersetzen kann, schreibe ich es mir auf. Und schaue danach im Lexikon nach, was es bedeutet. Und da man in Exerzitien doch auf das Sprechen Gottes hören soll, sage ich mir schließlich: Jetzt ist Gott mein Spanischlehrer. Jeden Morgen und Nachmittag bringt er mir 10 bis 20 neue Worte bei. Das ist alles.

Die Priester kennen mich nicht. Ich sitze am Tisch unter ihnen. In den Exerzitien wird hier gesprochen, weil sich die Priester nur zweimal im Jahr treffen können (wegen der riesigen Entfernungen). Ich sitze stumm unter ihnen. Nur grüßen kann ich – und Blickkontakt. Aber mehrmals sitze ich diesem oder jenem gegenüber, versuche ab und zu Blickkontakt, aber der schaut nie her. Manchmal fühle ich mich wie Luft behandelt, sicher nicht bewusst. Dabei geht es ungewöhnlich fröhlich zu. Ständig bringt einer die andern zum Lachen. Ich weiß natürlich nicht, worüber sie lachen. Versuche mich an ihrem Lachen zu freuen. Mit wenig Erfolg.

Natürlich gibt es schöne Augenblicke, wenn z. B. Bischof Nann mir einen Witz übersetzt oder mir einer den Teller wegräumt oder den Nachtisch bringt oder ein paar Worte zu wechseln versucht.

Einmal kommen Worte über das Kleinsein. Peque – der Kleine, das Kind. Das das Reden der Erwachsenen nicht versteht – aber sich nicht daran stört. Es war das Wort der Exerzitien für mich.

P. Francisco kann am letzten Tag, Freitagmorgen, nicht mehr dabei sein. Die Zeit der Evaluation. Bischof Nann hat mir vorgeschlagen, eine Schriftrolle mitzubringen (eine halbe aus Ecuador ist übrig geblieben). Wir könnten die Frage stellen: Was hat dein Herz berührt? Und das dann auf die Schriftrolle schreiben. Wir sprechen die Inhalte ab.

Bischof Nann liegt daran, dass ich etwas über die Methode der Schriftrolle sage. Denn die könnten wir ein zweites Mal anwenden, wenn sich die Priester wieder treffen. (Es gibt nur zwei Treffen im Jahr, die Exerzitien und die Asamblea, ein pastorales Treffen. Dafür immer die ganze Woche. Das fällt auch noch in meine Zeit).

Doch ich stehe noch stark unter dem Eindruck der Nachwirkungen der Catequese Familiar (s. meinen letzten Bericht:. Verbinde Form (hier also die Methode) und Geist so miteinander, dass der Geist die alles beherrschende Großmacht bleibt.)

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Also soll das alles Beherrschende sein:

In diesen Tagen hat Gott jedem von uns etwas ins Herz geschrieben. Lesen wir, was am Ende der Tage in unserem Herzen geschrieben steht. Das schreiben wir dann auf die Schriftrolle.

Die Gruppe macht gut mit. (Foto)

Am Ende kommen überraschende Reaktionen. Mehrere äußern sich – nicht nur allgemein positiv, sondern sie benennen, was ihnen an diesen zwei Stunden so wichtig war. Einer fotografiert mit seinem Handy sehr genau, was alles auf der Schriftrolle steht. Ein anderer sagt: Das sollten wir auf der Asamblea fortsetzen, damit auch alle anderen das kennenlernen. (Ein Teil der Priester war schon am Abend zuvor und die Nacht über gefahren.) Was eine unausgesprochene Idee von Bischof Nann war, kommt jetzt als Wunsch aus der Gruppe selber. Einer möchte noch hören, wie das mit der Schriftrolle entstand und welchen Namen diese Pastoral in Deutschland hat.

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Dann soll ich ein Foto machen: alle mit der Schriftrolle in der Mitte, viele strahlende Augen. Bei der anschließenden Eucharistie liegt sie auf dem Altar.

Beim MIttagessen ergreift nochmals einer das Wort. Er sagt zu Bischof Nann, er habe das Beste für den Schluss aufgehoben. Sofort greift ein anderer das auf: Wie bei der Hochzeit von Kana: der beste Wein zuletzt.

Es war wie bei den Seminaristen in Trujillo. Und so anders als beim Treffen in Guayaquil, Ecuador. Obwohl dort die besten Voraussetzungen waren, die größten Erwartungen dieser Reise, eine Einführung in alles Wesentliche der Pastoral am Puls. Aber das Zündende geschah nicht. Wir haben uns dort mit dieser Pastoral befasst, um sie kennenzulernen, sie uns zu eigen zu machen. Hier haben die Priester sie einfach nur kurz erlebt. Ein Unterschied ist auch: Bischof Nann wünscht sich das mit der Schriftrolle für seine Prälatur. Aber davon hat er nicht gesprochen; er hat nur übersetzt.

Immer wieder kommt mir danach das Wort: Du Bethlehem, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstätten Judas. Caravelí ist eine der kleinsten, entlegensten Diözesen Perus – noch nicht einmal eine Diözese, nur deren Vorform, eine Prälatur. Ob die Pastoral am Puls vielleicht gar nicht von den Priestern der großen Länder: Argentinien, Chile usw. ausgehen soll, sondern von hier, vom “Rande”?

 

Für die Mitarbeitenden in der Pastoral am Puls füge ich bei, wie wir bei dieser “evaluación” vorgegangen sind.

1. Impuls: Gott schreibt in die Herzen

Sie haben viel mitgeschrieben. Was geschieht damit? Mancher wird es zu Hause nachlesen, es sich vertieft aneignen. Andere werden ihre Aufzeichnungen aufbewahren. “Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen” Ein innerer Besitz ist es dabei nicht.

Was ist in unser Herz übergegangen? Und wirkt von innen heraus weiter?

Paulus spricht davon, dass Gott in die Herzen schreibt. Die berühmteste Stelle ist Röm 2,15: Gott hat den Heiden die Thora ins Herz geschrieben. Sie leben danach, ohne sie zu kennen.

Eine andere Stelle ist für uns heute bedeutsam, geschrieben an die Korinther (2 Kor 3,3). Der Apostel selber hat in die Herzen geschrieben. Nicht mit Tinte. Sondern “mit dem Geist des lebendigen Gottes”. Als Geisterfüllte sprechen wir, sagt Paulus einmal. Wie da der Geist in den Herzen wirkt, während Paulus geisterfüllt spricht, das ist das freie Wirken des Geistes und die Freiheit des Hörenden, was er in sein Herz lässt.

Wir kennen das vom eigenen Predigen. Wenn wir nicht aus dem Geist sprechen, dürfen wir nicht viel erwarten. Gewiss, der Geist kann auch einmal ohne uns wirken. (wie bei der wohl erfundenen Begebenheit: Ein Kaplan predigt einfach schlecht. Doch einmal kommt ein Mann zu ihm und bedankt sich: Er habe heute in der Predigt ihn bekehrt. An welcher Stelle, mit welchen Worten?, will der Kaplan wissen. Es war etwa in der Mitte der Predigt, sagt der Mann. Sie sagten: Das war der erste Teil; jetzt kommt der zweite Teil. Da fiel in mir der Entschluss: Ich ändere mein Leben: Der 1 Teil ist vorüber. Jetzt kommt der zweite Teil!)

Aber auch wenn wir aus dem Herzen und dem Geist heraus sprechen, wir wissen nie, was unsere Worte in den einzelnen Menschen bewirken. Sie gehen nicht 1 zu 1 in Menschen über, das ist ein kreatives Geschehen. Und von Person zu Person unterschiedlich.

Eigentlich ist es nicht Paulus, der Geist selber schreibt in die Herzen. Paulus ist das Werkzeug.

Das ist mit uns in diesen Tagen geschehen. Wir zweifeln nicht, dass mit Papst Franziskus ein Geisterfüllter zu uns spricht. Und auch P. Francisco hat seine Worte mit persönlichem Engagement an uns weitergegeben. Durch beide hat der Geist auf uns eingewirkt.

Was hat nun Christus durch Papst Franzikus mit dem Heiligen Geist uns ins Herz geschrieben?

Konzentrieren wir uns ganz auf diese Frage!

Aber wie merkt man das, wenn und ob Gott ins Herz schreibt?

Zwei Stellen des Neuen Testamentes helfen uns da weiter:

Am Ende ihres Weges nach Emmaus sagen die beiden Jünger: “Brannte uns nicht das Herz, als er mit uns redete…?”

Wenn der Heilige Geist schreibt, fängt das Herz an zu brennen. Wir wollen bescheiden sein, schließlich ist uns nicht der Auferstandene persönlich erschienen. Wo wurde es mir wenigstens warm ums Herz? Wo ist in kleiner Funke übergesprungen?

An Pfingsten, als Petrus seine große Rede hielt, traf es viele ins Herz. Fragen wir wieder bescheiden: Wo hat mich etwas berührt in diesen Tagen? Vielleicht ganz leicht, ganz sanft?

Hören wir jetzt in einer Zeit der Stille in uns hinein. Lesen wir, was in unserem Herzen steht!

Aber: kann man denn im Herzen lesen? Nun, Paulus meint: Jeder kann es lesen. Sogar andere können es in unserem Herzen lesen! Weil es ausstrahlt. Weil es unser Reden und Leben prägt.

Es müssen nicht nur Worte sein, es können innere Erfahrungen oder äußere Erlebnisse sein.

2. “Lesen im Herzen”

Lesen wir also in unserem Herzen. Nicht in unseren Niederschriften! (Es sei denn, etwas hat uns stark beeindruckt, aber uns fällt die Formulierung nicht mehr ein.)

Es folgte eine Zeit der Stille. Die Priester waren gesammelt. Immer wieder machte sich einer eine kleine Notiz.

3. Impuls: Gott schreibt Geschichte

Wo Gott in die Herzen von Menschen schreibt, da schreibt er zugleich Geschichte.

Die ganze Bibel ist voller Geschichten, angefangen vom Ruf an Abraham bis zum Hausarrest des Paulus in Rom. So sehr, dass wir das gesamte Wirken Gottes als Heils-“Geschichte” bezeichnen.

Hat Gott mit dem Tod des letzten Apostels aufgehört, in die Herzen zu schreiben und Heilsgeschichte zu schreiben?

Nein! Nur der kanonische, für alle Zeiten verbindliche, vom Geist als authentisch verbürgte Teil der Offenbarung ist beendet. Die Schrift ist der Maßstab, das Zeugnis, ist exemplarisch, wie wir für alle Zeiten alles Geschehen als Sprechen und Handeln Gottes, als seine Geschichte mit uns verstehen dürfen und sollen.

Das Konzil spricht das deutlich aus: Die Geschichte Jesu, sein Leben, Wirken, Sprechen, seine Passion und Auferstehung, alles führt er als der erhöhte Herr weiter, durch seinen Geist, bis ans Ende der Zeiten. (vgl. Gaudium et spes 3).

Grundgelegt ist das bei Lukas. Er schrieb ein Doppelwerk: Das Evangelium als Wirken des irdischen Jesus und die Apostelgeschichte als Wirken des erhöhten Herrn, der sein irdisches Wirken fortsetzt durch den Pfingstgeist. Die Apostelgeschichte schreibt, wie der Geist Jesu die Geschichte Jesu weiterschreibt.

Hörte der Geist mit Apg 27, 31 auf zu wirken? Nein!

Dann will auch die Apostelgeschichte weitergeschrieben werden. Nicht biblisch verbindlich, aber sie ist der verbindliche Maßstab, wie sie weitergeschrieben werden will.

Weithin bekannt wurde ein Prozess in der Diözese Wien, “Apostelgeschichte 2010” genannt (inzwischen fortgesetzt als “Apg 2.1”). Kardinal Schönborn lud dazu ein, in der ganzen Diözese sich in Gruppen und auf Treffen zu sammeln und eine Apostelgeschichte für heute, für diese Diözese zu schreiben. Dieses Beispiel wirkte über die Diözese Wien hinaus. Und gegenwärtig stößt man häufiger auf eine neue Beachtung der Apostelgeschichte als Deuteschlüssel für den gegenwärtigen Weg der Kirche. (Darum schreibe auch ich meine Erfahrungen mit dem Handeln Gottes hier in Südamerika in eine Homepage unter der Überschrift “Apostelgeschichte 2019”. Damit möchte ich nicht die eigenen Erfahrungen überhöhen. Ich wünschte, es wären Tausende, die mit- und weiterschrieben, alle an ihrem Ort.)

4. Die Schriftrolle

(In Ecuador hatte einer den nicht beschrifteten Teil seiner Rolle abgeschnitten, so dass eine halbe und unbeschriebene Rolle übrig blieb, die jetzt hier zum Einsatz kam.)

Wegen diesem Stück bin ich nach Lateinamerika geflogen.

Stellen Sie sich vor: Der eingerollte Teil wäre die gesamte Heilige Schrift. Und der daraus hervorgehende, unbeschrieben Teil ist unser Feld, um weiter zu schreiben. Mit unseren Erfahrungen, mit dem, was Gott in unsere Herzen geschrieben hat.

Sie kennen die Jesus-Bücher von Papst Benedikt. Im 1. Band geht er den Wandlungen des Reich-Gottes-Begriffs vom Alten Testament, bei Jesus, bei den Vätern und den Exegeten der weiteren Jahrhunderte nach. Am Ende fragt er: Was ist das Wesentliche, Durchgängige hinter all den verschiedenen Interpretationen? Seine Antwort, schon auf uns bezogen:

Der lebendige Gott handelt
     hier, im Priesterseminar von Abancay
     heute, in diesen Tagen
     mit uns, den Priestern von Caravelí
ganz konkret.

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Wir schreiben jetzt auf unsere Schriftrolle, jeder, was konkret ihm in diesen Tagen geschenkt wurde. Es ist jetzt unser “Wort des lebendigen Gottes”

Wenn einer sieht: O, jetzt steht schon da, was ich schreiben wollte!, dann schreibt er es noch einmal darauf. Oder er unterstreicht die schon dastehenden Worte. Umso besser, dann sehen wir: Gott hat das Meine auch ins Herz eines anderen geschrieben!

5. Impuls - im Herzen bewahren

Von Maria schreibt Lukas: Sie bewahrte alles in ihrem Herzen. An einer Stelle: alle Worte; an einer anderen Stelle: alles, was geschehen war.

Nur, was im Herzen bewahrt wird, wird Teil der Geschichte Gottes mit uns.

Sehen wir Maria nach dem Verständnis der Väter und neuerdings des Konzils als Typos der Kirche, dann ist sie exemplarisch für eine Kirche, die das, was Gott spricht und geschehen lässt, in ihrem Herzen bewahrt

und – wie oft hat das Jesus hervorgehoben! – aus dem Herzen heraus danach handelt.

Wir sind nicht nur als einzelne hier, sondern als Presbyterium mit unserem Bischof. Gibt es so etwas wie ein gemeinsames Herz unseres Presbyteriums? Und was möchten wir gemeinsam aus diesen Exerzitien im Herzen bewahren?

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6. Lesen wir, was wir alle auf die Schriftrolle geschrieben haben.
Jeder einen Eintrag, reihum. 

Wir fragen uns in der Stille (Jede Frage meint dasselbe, nur unter einer anderen Perspektive):

- Was davon möchtest du, dass wir es gemeinsam im Herzen bewahren?

- Was davon möchtest du, dass das Presbyerium der Prälatur miteinander lebt?

- das zu einer gemeimsamen Einstellung wird?

- worin wir miteinander verbunden sind?

- worin wir einander bestärken?

- was in diesem Jahr wachsen soll?

Dann unterstreiche mit dem grünen Stift die entsprechenden Worte und male ein grünes Blatt dazu als Zeichen, dass daraus Leben hervorgehen möchte. (und wieder: wo andere dasselbe haben, da lass ein weiteres Blatt hervor wachsen). 

7. Wen beschäftigt etwas, das er gerne den anderen mitteilen möchte?
 

Fortsetzung

 

 
 

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