Anzeigen

 

Haus Moriah Gemeinschaft Leseprobe 2

 

(Bedrohliches Wetterleuchten am Horizont)

Die Skepsis gegen Schönstatt hatte sich derweil weiter ausgebreitet. In der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im August des Jahres 1948 war jedenfalls die Kritik an Schönstatt nicht verstummt. Einer der anwesenden Bischöfe machte eine Reihe von Punkten namhaft: Immer mehr Priester in den Diözesen würden sich nach der Zentrale in Schönstatt orientieren. Die Bewegung wachse ohne bischöfliche Kontrolle. Anstoß erregten auch die eigentümlichen Begriffe, von denen man nicht abrücke, wie etwa „Liebesbündnis", „Beiträge zum Gnadenkapital", „Schönstattgeheimnis" oder „Inscriptio-Akt". Schon 1935 hatte man die Terminologie als „ungewöhnlich", „geschmacklos" und- zu „modern" bezeichnet. Hinzu käme die Veröffentlichung des Büchleins „Himmelwärts", einer Sammlung von in Dachau verfassten Gebeten, die mit ihren „Knittelversen" jedes ästhetischen Empfindens entbehrten. Die starke Betonung der „Einheit von Jesus und Maria" müsse einer gründlichen theologisch-dogmatischen Überprüfung unterzogen werden. Der Bischof kritisierte die Bezeichnung Schönstatts als „Gnadenort"; schließlich habe es dort keine Marienerscheinungen gegeben. Besonderes Misstrauen erregte die eigenartige „Geschlossenheit" nach außen, das erinnere an eine „Sekte". Und dann wäre da noch die einflussreiche Stellung, die Pater Josef Kentenich innehätte, obwohl er doch kein Amt in der Kirche bekleide! Alles ströme zu ihm hin.

Pater Kentenich war wegen all der Kritik, die ihm zu Ohren kam, keineswegs erschüttert oder gekränkt, im Gegenteil: Er war erfreut. Endlich war Schönstatt nach Jahrzehnten eines „Katakombendaseins" in der Deutschen Bischofskonferenz Thema. Endlich bot sich aufgrund der Anfragen Gelegenheit, Schönstatt und seine Sendung der offiziellen Kirche vorzustellen und mit maßgeblichen Stellen in die Diskussion einzutreten. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass eine „Studienkommission" von Trier sich auf der Ebene von Theologie und Pädagogik mit dem, was in Schönstatt über Jahre geworden war, näher auseinandersetzte. Dazu lud er Weihbischof Dr. Bernhard Stein von Trier, zu dem er freundschaftlichen Kontakt pflegte, nach Schönstatt ein. Die Gespräche ließen in ihm die Hoffnung keimen, jemanden gefunden zu haben, der die Eigenart und Geisteswelt Schönstatts verstehen und in der offiziellen Kirche vertreten könnte.

Was Josef Kentenich allerdings nicht wusste: Auf der Deutschen Bischofskonferenz war nicht die Rede von einem wissenschaftlichen Diskurs mit und über Schönstatt, sondern von einer „Visitation", die Trier in Schönstatt durchführen sollte. Dahinter verbarg sich die unausgesprochene Anklage, dass da etwas „nicht rechtens sei", was der Visitation bedürfe. Es sei zu prüfen, ob Schönstatt überhaupt auf dem Boden der Kirche stehe.

Visitation statt Visite

Seite 233
Seite 233
Ob das nun der Grund war, warum Weihbischof Stein der freundlichen Einladung, zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung nach Schönstatt zu kommen, nicht nachkam, oder ob die heimlichen Anklagen einer ausgetretenen Marienschwester beim Weihbischof den Ausschlag gaben, war später nicht mehr genau auszumachen. Jedenfalls drängte er Pater Kentenich, einen offiziellen Antrag an den Bischof von Trier, Dr. Franz Rudolf Bornewasser, zu stellen. Noch ehe aber die Einladung beim Bischof eintraf, erhielten die Leitungskreise der Schönstätter am 14. Februar 1949 durch das Generalvikariat von Trier die Mitteilung, dass in fünf Tagen in Schönstatt eine diözesanrechtliche „Visitation" durchgeführt werde, Visitator sei Weihbischof Dr. Bernhard Stein.

Während der Gründer im Ausland weilte, wirkte die Nachricht in Schönstatt wie ein Blitzeinschlag. Bis dahin war niemand auf die Idee gekommen, in ihren Reihen könne etwas sein, das mit der Kirche, ihrer Lehre oder ihren Gesetzen nicht in Einklang stünde. Aus der angedachten Visite wurde über Nacht eine Visitation. Die Nachricht erreichte Pater Kentenich in Argentinien durch Mitglieder der „Artusrunde", nicht durch die bischöfliche Behörde. Als das Telegramm beim Gründer eintraf, war die Visitation, die vom 19. bis zum 28. Februar dauern sollte, bereits in vollem Gang.

(Seite 235 - 237) 

Inhaltsverzeichnis (pdf-Datei)

 
 

Seite drucken Seite versendenImpressum