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Die Originalität des Schönstätter Liebesbündnisses V
Zwei Seiten des Grignionschen Mariengeheimnisses

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Zwei Seiten des Grignionschen Mariengeheimnisses

Wir kennen bereits die Stellung der Gottesmutter im Heilsplane. Wenn wir noch einmal darauf zurückkommen, so geschieht es nur, um sie uns abermals von Grignion darstellen zu lassen. Seine Art ist so originell, daß wir ihn gern hören. Dazu kommt, daß das Bild Mariens so vielseitig, ihre Person so geheimnisvoll groß und tief und reich ist und ihre Herrlichkeiten so endlos vielgestaltig sind, daß wir sie nie ganz fassen und ausschöpfen können. Immer neue Seiten ihres Reichtums tun sich dem forschenden und staunenden Auge auf. So wird das Wort verständlich: De Maria nunquam satis(1).

Grignion sieht das Kernstück der Marienherrlichkeit, das Geheimnis von Mariens Person und heilsgeschichtlicher Stellung und Sendung, in Würde und Funktion der Christusgebärerin. Nicht bloß theologische Spekulation hat sein Glaubensauge geschärft. Ungleich mehr verdankt er seinem tiefen Gebetsleben und den Gaben /

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des Heiligen Geistes, die sich in seinem Leben so reich ausgewirkt haben.

Sein marianischer Leitgedanke, der gleichzeitig das Mariengeheimnis nach der objektiven und subjektiven Seite wiedergibt, ist leicht verständlich. Er läßt sich in unserer Sprechweise auf die Form bringen: Nach des ewigen Vaters Plan ist Person, Stellung und Funktion der Gottesmutter bedingt heilsnotwendig(2). Hat das Gesetz »Ordo essendi est ordo agendi« allgemeine Gültigkeit, so muß auch die Marienverehrung als bedingt heilsnotwendig angesprochen werden. Es ist zuwenig, wenn man sie nur als heilsnützlich darstellt. Mehr noch: Die doppelte Notwendigkeit wächst in dem Grade, als das Heil durch die Erlösungsgnade den einzelnen Seelen zuteil wird oder werden soll. Je größer der Grad der Heiligkeit, zu dem jemand berufen ist, desto größer muß auch der Grad der Marienverehrung sein.

Um dieses gedrängte Kompendium marianischer Theologie, Aszese und Pädagogik zu verstehen, tut man gut daran, Grignions Auffassungen im einzelnen nachzustudieren und auf sich wirken zu lassen.

Der Heilige unterscheidet eine doppelte Geburt des Heilandes: eine physische und eine mystische(3). Die erste ist die des Herrn im Schoße seiner gebenedeiten Mutter: Ihre Frucht ist der Christus historicus. Die zweite ist die Wiedergeburt des Herrn in den Seelen: Ihre Frucht ist der Christus mysticus. Auch sie muß im Schoße Mariens /

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- nicht zwar physisch, sondern mystisch - getätigt werden.

Die christusgestaltete Frau ist auch die christusgestaltende Mutter der Gläubigen. Sie ist schlechthin die amtliche Christusgebärerin. Sie tritt als Privatperson ganz in den Hintergrund. Sie hat keine Privatinteressen mehr, oder - was dasselbe bedeutet - ihr ganz persönliches und persönlichstes, ihr privates Interesse gehört in vollendeter Weise Christus, sowohl in seiner historischen Einmaligkeit als auch in seinen Gliedern. So stark ist sie von ihm aufgesogen, daß es fast den Anschein hat, als wäre sie ganz in ihn aufgegangen. Sie ist und bleibt in alleweg die amtliche Christusgebärerin.

Die Liebe, die sie dem historischen Christus geschenkt hat, überträgt sie - so meint Sankt Bernhard - auf den mystischen Christus: auf seine Glieder. Darum sind wir nie allein. In allen Situationen wendet sie uns ihre mütterlichen Augen zu, ähnlich, wie sie es beim Heiland zu seinen Lebzeiten getan hat. Wie sie im Stalle zu Bethlehem das Weinen und den Schmerz des neugeborenen Kindes gestillt hat, wie sie am Kreuze beim sterbenden Erlöser aushielt, auch in dem Augenblicke, als er sich vom Vater verlassen fühlte, so be- [[138]] gleitet sie auch uns, die Glieder des Herrn, von der Wiege bis zum Grabe.

Der heilige Anselmus erklärt, Maria müsse auf uns blicken, sonst gingen wir einfach zugrunde(4). Sankt /

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Bonaventura meint dasselbe, wenn er sagt: Wen du anschaust, Maria, der wird gerettet; und von wem du deine Augen abwendest, der geht verloren(5). Aus dieser Überzeugung heraus betet Sankt Alfonsus: Schau auf mich, Maria, denn wenn du auf mich blickst, werde ich gewiß selig(6).

Alle diese Ausdrücke erklären, was wir oben bedingt heilsnotwendig genannt haben. Das heißt: Die Mitwirkung der Gottesmutter ist nicht absolut notwendig, sondern nur unter der Bedingung, daß Gott sie von Ewigkeit in seinen Plan aufgenommen hat. Die abstrakte Idee der Erlösung hätte auch verwirklicht werden können ohne Mithilfe der Gottesmutter, genauso wie ohne Geburt, Leiden und Sterben des Heilandes. Beides war nur deswegen notwendig, weil der Vater es so von Ewigkeit her bestimmt hat. Das nennen wir bedingt notwendig, das heißt notwendig unter der Bedingung, daß es so im Plane stand.

Die erste Geburt des Heilandes gibt Anlaß zu mancherlei Erwägungen. Sie ist nach Grignion Ausdruck und Beweis einer beispiellosen Mariengebundenheit des Herrn, die dadurch vertieft in Erscheinung tritt, daß er dreißig Jahre lang ihr untertan war und die ersten Wunder in Verbindung mit ihr gewirkt hat(7).

Die Geburt des Herrn weckt in Grignion die Überzeugung: »Gott der Vater hat der Welt seinen Eingebore- /

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nen nur durch Maria gegeben... Da die Welt unwürdig war..., den Sohn Gottes unmittelbar aus der Hand des Vaters zu empfangen, so hat er ihn Maria gegeben, auf daß ihn die Welt durch sie empfinge« (Nr. 16).

Den weiteren Verlauf des Heilandslebens sieht der Heilige in steter Fühlung mit seiner Mutter: Durch sie läßt er sich dem himmlischen Vater im Tempel aufopfern, von ihr läßt er sich nähren und pflegen, ihr ist er die langen Jahre seines verborgenen Lebens untertan. Er will »mit ihr ein und dasselbe Opfer« am Kreuze darbringen; er will »durch ihre Einwilligung dem ewigen Vater aufgeopfert« werden, »wie einstens Isaak geopfert wurde durch die Einwilligung Abrahams in den Willen Gottes« (Nr. 18).

Die Art, wie der Herr seine ersten Wundertaten vollbrachte, ist Grignion nicht entgangen. Mit sichtlicher Freude stellt er fest:

»Wenn wir nun das übrige Leben Jesu Christi näher ins Auge fassen, so werden wir sehen, daß er seine Wunder durch Maria beginnen wollte. Durch das Wort Mariens heiligte er den heiligen Johannes im Mutterschoße Elisabeths... Das war sein erstes und größtes Wunder in der Ordnung der Gnade. Auf ihre demütige Bitte hin verwandelte er bei der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein. Das war sein erstes Wunder in der Ordnung der Natur« (Nr. 19).

Maria erwidert die Liebe des Herrn mit vorbehaltloser Gegenliebe. Ihr Leben ist die persongewordene Hingabe an den Herrn. Es ist eine ständige Hinbewegung hin zu ihm und zu seinem Werke. Sie tritt ganz zurück. Sie geht nur auf in der Sorge um seine Person und seine Sendung.

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Die zweite Geburt des Herrn, seine Wiedergeburt in den Seelen, führt der Heilige ausnahmslos auf den geheimnisvollen Schoß der Christusgebärerin zurück. Der Hauptgrund dafür liegt für ihn im unwandelbaren Plane des Vaters. Für ihn steht fest:

»Das Verhalten, das die drei Personen der allerheiligsten Dreifaltigkeit bei der Menschwerdung und ersten Ankunft Jesu Christi eingeschlagen haben, behalten sie täglich in der heiligen Kirche auf unsichtbare Weise bei und werden es beibehalten bis zur Vollendung der Zeiten bei der letzten Ankunft Christi« (Nr. 22). Daraus folgt: »Jesus ist immer und überall die Frucht und der Sohn Mariens, und Maria ist überall der wahre Baum, der die Frucht des Lebens trägt, und die wahre Mutter, [[136]] die Jesus Christus hervorbringt« (Nr. 44). Und wiederum: »Er hat seine Wunder durch Maria begonnen und fortgesetzt und wird bis ans Ende der Zeiten fortfahren, sie durch Maria zu wirken« (Nr. 19).

Die von ihm angegebenen Einzelgründe lassen sich für unser Verständnis am einfachsten so formulieren:

Erster Grund: Der Weg, auf dem die zweite Person nach Gottes Plan vom Vater zu uns kam, ist und bleibt der Weg, auf dem wir zum Vater kommen müssen(8). Anders ausgedrückt: Der Weg zur Menschwerdung Gottes ist schlechthin der Weg zur »Gottwerdung des Menschen«.

Zweiter Grund: Maria ist Mutter des ganzen Christus. Der ganze Christus ist Christus als Gott, ist Christus als Mensch, ist Christus als Haupt seiner Glieder(9); der ganze Christus ist vor allem, wie Augusiinus schreibt, /

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»er und wir(10)«. FÜglich ist sie nicht nur Mutter Gottes und Mutter des Erlösers, sondern auch Mutter der Erlösten. Sie ist Mutter des Hauptes formell als Haupt und deshalb auch Mutter der Glieder Christi: Mutter von ihm dem Leibe nach, Mutter von uns dem Geiste nach - wie wiederum Sankt Augustinus ausführt(11) -, aber doch durchaus Mutter der Glieder, unsere Mutter, die das göttliche Leben in uns hervorbringen, »erzeugen«, erziehen und vollenden hilft.

Grignions warme, übernatürliche Einstellung findet für den so gezeichneten Vorgang viel glühendere Worte. Er schreibt:

»Die gleiche Mutter bringt nicht das Haupt ohne die Glieder noch die Glieder ohne das Haupt zur Welt; sonst wäre dies eine Ungeheuerlichkeit der Natur. So werden auch in der Ordnung der Gnade Haupt und Glieder von der gleichen Mutter geboren. Und wenn ein Glied des mystischen oder geheimnisvollen Leibes Christi, das heißt ein Vorherbestimmter, von einer anderen Mutter geboren würde als von Maria, die das Haupt hervorgebracht, so wäre es... eine Ungeheuerlichkeit in der Ordnung der Gnade« (Nr. 32).

Oder: »Jesus Christus ist jetzt ebenso sehr die Frucht Mariens wie ehedem, wie es ja Himmel und Erde tausend- und abertausendmal des Tages wiederholen: 'Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus'. So ist es gewiß, daß Jesus Christus für jeden einzelnen Menschen, der ihn besitzt, ebenso wahrhaft die Frucht und das Werk Mariens ist wie für alle insgesamt... Die Worte, die der heilige Paulus auf sich an- /

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wendet, kann man mit größerer Wahrheit auf Maria anwenden: Ich gebäre tagtäglich die Kinder Gottes, bis Jesus Christus, mein Sohn, in seinem Vollalter in ihnen gestaltet ist(12). Der heilige Augustinus schreibt, daß alle Vorherbestimmten, um dem Bilde des Sohnes Gottes gleichförmig zu sein, in dieser Welt im Schoße der heiligen Jungfrau verborgen sind, wo sie von dieser guten Mutter bewahrt, genährt, gepflegt und großgezogen werden, bis sie dieselben nach dem Hinscheiden zum Lichte der Glorie gebiert(13)« (Nr. 33).

Das Bild des heiligen Augustinus vom Schoße der Gottesmutter, das Grignion mit Vorliebe gebraucht(14), gibt anschaulich und lebensmäßig die Idee der allgemeinen Gnadenvermittlung wieder, die gegenwärtig im Vordergrund des mariologischen Interesses, der päpstlichen Weltrundschreiben, der spekulativen Theologie und des praktischen christlichen Lebens steht. Dadurch wird offenbar eine starke Umorientierung im marianischen Denken, Fühlen und Handeln vorbereitet.

Grignion führt seine Lehre - wie Sankt Bernhard - nicht auf die abstrakte Idee der Erlösung zurück. Er folgert sie nicht logisch als notwendige Konsequenz aus einer abstrakt gesehenen und gedeuteten Heilslehre. Das alles kommt für ihn so wenig wie für uns in Frage. Er wiederholt in seiner Weise das Wort des heiligen Bernhard: Deus sic voluit, Deus sic statuit(15). Das heißt, er beruft sich mit dem Kirchenlehrer auf einen freien Wil- /

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lensentschluß des Vaters, auf seine freie, aber deutlich erkennbare Bestimmung. So lesen wir bei Grignion den Satz: »Keine [[137]] einzige himmlische Gabe wird den Menschen verliehen, die nicht durch ihre jungfräulichen Hände ginge; denn so ist es der Wille Gottes, der gewollt hat, daß wir alles durch Maria empfangen« (Nr. 25).

Wer so deutlich den göttlichen Plan und die Stellung der Gottesmutter darinnen erkennt, wer so real oder - wenn man will - so realistisch eingestellt ist, wie es der christliche Realismus verlangt, für den ist selbstverständlich, daß alles persönliche Wähnen, Wünschen und Wollen sich der göttlichen Planung ein- und unterordnet. Das heißt in diesem Falle, daß er die bedingt heilsnotwendige Stellung der Gottesmutter in der objektiven Ordnung mit der Überzeugung von der in gleicher Weise subjektiven Heilsnotwendigkeit persönlicher Marienliebe beantwortet und im praktischen Leben verwirklicht. Geistreich umschreibt Pater Köster Grignions Auffassung. Wir lesen:

»Alles in allem: die Marienfrömmigkeit ist lediglich eine bestimmte Anwendung des Satzes, daß das Handeln sich am Sein orientiere. Sie will voll eingehen auf die Sendung Mariens sowohl in der objektiven als subjektiven Erlösung, wie sie in den bisher zugrunde gelegten Aussagen des kirchlichen Glaubens umschrieben ist - nichts darüber hinaus. Wie es im Akt ihrer Mutterschaft blitzartig aufleuchtet, besteht diese Sendung Mariens darin, die Menschheit dem Sohne Gottes zu bereiten und auszuliefern; die durch ihre Mutterschaft vollzogene Bereitung und Übergabe der Menschheit Jesu hinein in die hypostatische Union mit dem Sohne Gottes ist nur ein eminentes Symbol und ein Anfang dazu. Dieses Hinüberfließenlassen - wenn es erlaubt ist, den Sachverhalt auch bild- /

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haft auszudrücken -, dieses Hinüberpflanzen und dieses Eingestalten der Menschheit in den Sohn Gottes macht Mariens Wesen aus. Mit dieser 'Bewegung-hinüber' ist sie gleichsam identisch. Ihr Herz und ihr Schoß sind innerhalb der Menschheit der Ort, nicht nur wo das Hinübergebildetwerden in den Sohn Gottes geschehen kann, sondern auch, wo es - was anders sollte die allgemeine Gnadenvermittlung, wie sie heute verstanden wird, bedeuten - indispensabel geschehen muß. Sie ist zugleich der Ort, wo es am vollkommensten geschieht. Denn hier geschah die hypostatische Union. Eine tiefere Einigung aber an den Sohn Gottes gibt es nicht. Maria verehren bedeutet, diesen Glauben der Kirche - denn nur ihn möchten wir im Vorstehenden formuliert haben - zu dem seinigen machen. Es heißt, durch den Kontakt seines Herzens mit diesem Urbild der Christlichkeit sich innerhalb der Heilsgeschichte gleichsam dort in den Strom der christozentrischen Bewegung begeben, wo das Gefälle auf den Sohn Gottes hin am steilsten, die Strömung am reißendsten, die Kraft der Einung mit ihm am mächtigsten ist. Das Herz Mariens, so scheint es aus den marianischen Dogmen hervorzugehen, ist der Gipfel und darum die Hochschule aller christozentrischen Sehnsucht(16).«

Der letzte Gedanke wird an anderer Stelle so wiedergegeben:

»Was Sinn der christlichen Ehe ist: dem Ewigen Worte zur Erweiterung seiner Menschwerdung Menschen zuzuführen und darzureichen, hat Maria eröffnet. Sie hat, freilich allein und im Heiligen Geiste, dem Ewigen Worte die erste Menschheit geschenkt. Die Ehe ist so eine Teilnahme an ihrer Christusmutterschaft. Sie verliert ihre christliche Weihe, wenn sie sich nicht als Abglanz dieses Mariendienstes an Christus /

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fühlt. Dem entspricht auch, daß Maria die Bereitung der Menschheit für die Entgegennahme der Gnade weiterhin durch jene zwei andere Formen vollzieht: durch das Beispiel, worin die Magd des Herrn, für das Gesamtgeschlecht in die Stunde der Entscheidung für Christus gestellt, die ganze Welt [[138]] zu willigem Gehorsam für den Anspruch Gottes mahnt; - und durch das Wort: 'Was er euch sagt, das tut!' (Jo 2,5).

Diesen für die Wirksamkeit des Laien in der Kirche wesentlichen Charakter offenbart auch die Erscheinung Mariens in Fatima. Sie prägt ihren universalen Zug aus, denn sie wendet sich an die ganze Welt. Sie strebt, die ersterbende Empfänglichkeit und die schwindende Gehorsamswilligkeit gegen Christus neu zu beleben. Die gesamte Menschheit soll wieder zur Ordnung zurückkehren - denn was anders bedeutet die immer wiederholte Abmahnung von der Sünde. Dies soll durch die Weihe an ihr unbeflecktes Herz geschehen. Die Menschheit soll gleichsam um- und dort eingeortet werden, wo in ihrem von der Pervertierung der Werthierarchie durch die Sünde gänzlich unberührten Herzen die Welt noch unentweihtes Paradies ist. Die um Gott zu kreisen verlernte, soll ihre große Sonnenwende erfahren, indem sie durch die Weihe in jene Bewegung sich aufnehmen läßt, die seit der Stunde der Verkündigung unvermindert in ihrem Herzen auf Gott hin schwingt. Die Weihe ist die Form, in der Maria die Menschheit sich angleichen und in jene Hingabe an Christus hineinziehen will, wodurch sie bereits bei ihrer Mutterschaft alles Menschliche Gott dargereicht und zu ihm heimgebracht hat(17).«

Von hier aus versteht man, weshalb man mit Recht sagen kann, daß alle Heiligen der christlichen Jahrhunderte Marienverehrer gewesen sind und daß - zumal in /

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neuerer Zeit, da die Kenntnis der Stellung der Gottesmutter eine klarere geworden - alle, die zum Gipfel der Vollkommenheit emporklimmen wollen, die vollkommene Hingabe an die Gottesmutter in irgendeiner Weise erstreben müssen.

Grignions Absicht ist es, durch die von ihm gelehrte vollkommene Hingabe an die Gottesmutter ihre objektive Heilsbedeutung subjektiv bis zur letzten Möglichkeit zu beantworten. Seine »Vollkommene Andacht« will weiter nichts als vollkommene Bejahung einer objektiven Heilsplanung und Hingabe an die Trägerin dieser Planung sein. Sie ist füglich Ausdruck einer ungemein tiefen Ehrfurcht vor dem Vater aller guten Gaben und einer überaus zarten und willigen Gegenliebe der ewigen, unendlichen Liebe gegenüber.

In Grignions Sinn läßt sich diese Ganzhingabe durch drei Ausdrücke faßlich umschreiben. Der erste ist abstrakt, die beiden anderen sind bildhaft geformt.

1. D. h. man kann nie genug über Maria sagen, nie genug tun, um ihre Stellung zu erfassen, man kann sie nie genug lieben. Vgl. Grignion, Abhandlung, Nr. 10.

2. Vgl. Grignion, Abhandlung, Nr. 142.

3. Vgl. das 1. Buch der Abhandlung, Kap. I (Nr. 14 ff) und II (Nr. 22 ff).

4. Anselm von Canterbury, Oratio 52 (PL 158,956): »Sicut enim, o beatissima, omnis a te aversus et a te despectus necesse est, ut intereat, ita omnis a (ad) te conversus et a te respectus impossibile est, ut pereat.«

5. Psalt. B. M. V. (früher Bonaventura zugeschrieben), Ps 99: »A quibus averteris vultum tuum, non erit spes ad salutem«.

6. Vgl. Alfons Maria von Liguori, Die Herrlichkeiten Mariä, Regensburg 1922, 130 und 185.

7. Vgl. Grignion, Abhandlung, Nr. 18 f. u.a.

8. Vgl. Abhandlung, Nr. 75.

9. Vgl. Geheimnis Mariens, Nr. 12.

10. Vgl. Augustinus, In Jo. Ev. 28 (PL 35, 1622): »Christus

totus in capite et in corpore«. Vgl. auch Sermo Denis 25, 7: »Der ganze Christus ist beides, Haupt und Leib.«

11. Augustinus, De sancta Virginitate, c. 6 (PL 40, 399).

12. Vgl. Gal 4,19.

13. Vgl. Augustinus, Tractatus de Symbolo ad Catechumenos, 4,1.

14. Dieses Bild übernimmt Grignion in der Abhandlung, Nr. 248 u. a. von Ambrosius, De Inst. Virg., c. 7, n. 50 (PL 16, 333).

15. Gott wollte es so, Gott hat es so festgesetzt. Vgl. In

nativitate B.M.V. sermo, c. 7: »Quia sic est voluntas eius, qui totum nos habere voluit per Mariam. Denn so ist es der Wille dessen, der wollte, daß wir alles durch Maria erhalten (PL 138, 441).

16. H. M. Köster, Unus Mediator, Gedanken zur marianischen Frage, Limburg 1950, 303 f. Die Hervorhebungen stammen von Köster.

17. H. M. Köster, Die Magd des Herrn, Theologische Versuche und Überlegungen, Limburg 1947, 435.

Aus: Das Lebensgeheimnis Schönstatts. II. Teil: Bündnisfrömmigkeit, Vallendar-Schönstatt 1972, 278 S. – www.patris-verlag.de

 

Eingestellt von
O B
KM
Eingestellt am: 17.05.2011 11:36
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