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CmL1996 III 1 Grundlegung der Christusgliedschaft
J. Kentenich, aus: Studie über die Werktagsheiligkeit, 1937

Die große gottmenschliche Liebe war noch nicht erschöpft mit der Hingabe auf Golgotha. Als der Heiland am Kreuze starb, zerriß er als zweiter Adam den Schuldbrief, der die Menschheit Tausende von Jahren in trauriger Verbannung hielt, und er erschloß damit wieder das Reich der Gotteskindschaft für alle.

1. Aufgenommen werden wir aber erst in dieses Reich durch eine geheimnisvolle Eingliederung in ihn, durch die wir hineingezogen werden in sein eigenes Kindesverhältnis zum Vater. Nur in Christus können wir zum Vater kommen. Weil diese Eingliederung ein so großes Geheimnis ist, sprechen wir vom Corpus Christi mysticum, vom geheimnisvollen Leibe Christi. Die Verbindung eines Gotteskindes mit Christus ist inniger, als sie zwischen Bruder und Schwester besteht. Sie wird in der Heiligen Schrift eine bräutliche genannt. So schreibt der Apostel Paulus an die Korinther: „Ich habe euch einem Manne verlobt, um euch als reine Jungfrau Christus zuzuführen“ (2 Kor 11,2).

Jede Seele im Stande der heiligmachenden Gnade, wir können auch sagen, jedes Gotteskind, ob Mann oder Frau, ist in diesem Sinne Braut Christi, lebt also ständig mit Christus in geheimnisvoller Verbindung, in tiefer Lebens- und Schicksalsgemeinschaft. Wer dem Stande der Jungfräulichkeit angehört, hat dieses Brautschaftsverhältnis zu einem ausschließlichen gemacht. Der Werktagsheilige weiß das und sorgt dafür, daß seine Lebensgemeinschaft mit Christus in einer innigen Liebesgemeinschaft sich ausreift und auswirkt.

2. Um aber eine tragfähige Grundlage für sein Ringen und Streben zu schaffen, liest er gern in der Heiligen Schrift die tiefen Gleichnisse vom Weinstock und den Rebzweigen und vom Haupt und den Gliedern. Es handelt sich hier um so große Geheimnisse, daß sie mit klaren Begriffen gar nicht bis ins einzelnste abgegrenzt werden können. Darum spricht der Heiland und sein Apostel Paulus in Gleichnisreden, die dem helldunklen Charakter des Geheimnisses am meisten Rechnung tragen.

Es war ein feierlicher Augenblick, den der Heiland für sein Gleichnis wählte. Die Apostel hatten gerade die erste heilige Kommunion empfangen und hörten ergriffen die Abschiedsreden ihres Meisters - unmittelbar vor seinem Todesgang. Ob sie vorher nicht fähig waren, die große Botschaft aufzunehmen? Ob sie jetzt genügend dafür vorbereitet und eingestimmt sind? Der Heiland erklärt: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner ... Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe, wenn sie nicht am Weinstocke bleibt, aus sich selbst keine Frucht bringen kann, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt ... Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt viele Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, wird wie eine Rebe weggeworfen und verdorrt ... Dadurch wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viele Frucht bringt ...“ (Joh 15,1-8).

Ruhiges Nachdenken entdeckt in der Rede des Herrn einen Gleichniskern, Gleichnisglieder und Gleichnisfolgerungen.

Gleichniskern, das heißt, das, was der Heiland in dem Augenblick, wo er von seinen Aposteln Abschied nimmt, um zum Vater, von dem er gekommen, zurückzukehren, den Trauernden sagen will, ist die geheimnisvolle organische Lebensgemeinschaft zwischen ihm und ihnen - ähnlich wie zwischen Weinstock und Rebzweigen -, die auch dann bleibt, wenn er fortgegangen.

Die Gleichnisglieder sind der Heiland und wir. Er, der wahre Gott, der wesensgleiche ewige Sohn des ewigen Vaters, der in der Zeitlichkeit für uns Mensch wurde; wir, die Getauften, seine Erlösten. Wir bilden mit ihm eine Lebensgemeinschaft.

Wie ernst dem Heiland diese Lebensgemeinschaft ist, läßt er aus den Gleichnisfolgerungen, die er selbst zieht, erkennen. Wer nicht mit ihm verbunden ist, wird unfruchtbar; darum das harte Wort: „Wie die Rebe, wenn sie nicht am Weinstocke bleibt, aus sich selbst keine Frucht bringen kann, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt ... Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,4f.). Mehr noch, die Seele verdorrt und wird ins Feuer der Hölle geworfen. „Wer nicht in mir bleibt, wird wie eine Rebe weggeworfen und verdorrt; man rafft sie auf und wirft sie ins Feuer, wo sie verbrennt“ (Joh 15,6). „Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er (der Vater) ab ...“ (Joh 15,2). Wer aber mit dem Heiland verbunden bleibt, der „bringt viele Frucht“ (Joh 15,5). Der Vater schickt ihm Kreuz und Leid, er „reinigt“ die Rebe, „damit sie noch mehr Frucht bringt“ (Joh 15,2).

Die Gottesgelehrten bleiben bei diesem Gleichnis besinnlich stehen und suchen zu erforschen, wie denn die Lebensgemeinschaft mit Christus, von der hier die Rede ist, gemeint sein kann. Soll sie bloß eine moralische sein wie zwischen zwei Menschen, die sich lieben? Vielen sagt das zu wenig. Physisch im Sinne einer wirklichen Wesensverschmelzung kann die Lebensgemeinschaft aber auch nicht sein. Das sagt zu viel. Wir wären dann ja nicht mehr dem Gottmenschen ähnlich, sondern gleich. So bleibt denn der Schluß: Hier stehen wir halt vor einem Geheimnis, das wir nicht ergründen können. Das Geheimnis wird noch undurchdringlicher, wenn wir aus dem Munde des Heilandes das Wort hören: „Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich durch den Vater lebe, so wird auch der, der mich ißt, durch mich leben. Wer dieses Brot ißt, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6,55ff.). Und Paulus sagt mit ruhiger Sicherheit von sich selbst: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). In demselben Geiste betete auch ein Vinzenz Pallotti: „Mein Leben soll vernichtet werden und Jesu Leben mein Leben werden. Das Leben Jesu soll meine Betrachtung, mein Studium sein ... Christi Gebet sei mein Gebet, die Lehre Christi meine Lehre, die Liebe Christi meine Liebe, die Liebe Christi zu Maria meine Liebe zu ihr.“

Von hier aus bekommen bekannte Stellen der Heiligen Schrift vielleicht einen tieferen Sinn. Wenn der Heiland Saulus vor Damaskus zuruft: „Warum verfolgst du mich?“ (Apg 9,4) oder wenn er bei anderer Gelegenheit erklärt: „Was ihr dem Geringsten der Meinen getan, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), so dürfte das mehr besagen als etwa: Ich will das alles so auffassen und anrechnen, als ob ihr das mir getan ... So war ja auch im Frühchristentum das Wort geläufig: „Du hast deinen Bruder gesehen, und damit hast du Christus gesehen.“Diese Auffassung wird vertieft, wenn wir bei Paulus in die Schule gehen und von ihm uns einführen lassen in das Verständnis für sein Lieblingsgleichnis: von Haupt und Gliedern. „Wie nämlich der Leib nur einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber trotz ihrer Vielheit nur einen Leib bilden, so verhält es sich auch mit Christus. Denn in der Taufe sind wir alle, Juden und Heiden, Sklaven und Freie, durch einen Geist zu einem Leibe verbunden; alle sind mit einem Geiste durchtränkt ... Ihr seid der Leib Christi, einzeln aber seid ihr Glieder“ (1 Kor 12,12-15.27).

Das Haupt des geheimnisvollen Leibes Christi ist der Gottmensch selbst. Wie das Haupt beim Körper eine Vorrangstellung einnimmt, wie es der einigende Mittelpunkt ist und eine lebendige Kraftquelle für den ganzen Menschen, so muß die Stellung und Wirksamkeit Christi in seiner Kirche gewertet werden. Er besitzt einen Vorrang vor allen Geschöpfen. Er ist der Erstgeborene vor jeglicher Schöpfung und das vollendete Vorbild aller Tugenden. In ihm, „in Christus Jesus“, stehen wir als eine geschlossene Einheit vor dem Vater. Er führt den einzelnen Gliedern seines geheimnisvollen Leibes vor allem durch die heiligen Sakramente ständig neue Nahrung zu.

Jeder lebendige Leib bedarf aber auch einer Seele. Das ist für die Kirche der Heilige Geist. Der Heiland betet in seinem Hohepriesterlichen Gebet: „Nicht allein für sie bitte ich, sondern auch für jene, die durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir bist und ich in dir; so sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,20ff.). Das einigende Band zwischen Vater und Sohn ist der Heilige Geist. Er muß darum dieselbe Funktion in der Kirche haben: er muß ihre Seele sein. Was für den natürlichen Leib die Seele, das ist der Heilige Geist für den mystischen Leib Christi. Darum beten wir im Credo der heiligen Messe: „Et in Spiritum Sanctum, Dominum et vivificantem - und an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebendigmacher.“

Die Glieder des geheimnisvollen Leibes Christi sind wir, die Getauften. Das sagt ja der heilige Paulus ganz klar: „In der Taufe sind wir alle, Juden und Heiden, Sklaven und Freie, durch einen Geist zu einem Leibe verbunden“ (1 Kor 12,13). Alle Glieder bilden ein Ganzes, alle haben alles miteinander gemein. „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit, wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle andern mit“ (1 Kor 12,26). Der ganze Leib zieht Nutzen aus dem Reichtum eines Gliedes, und umgekehrt schadet ein krankes, schadhaftes Glied den andern. Dieser Gedanke eröffnet ungeahnte Tiefen der Verantwortung füreinander.

Erschienen in:
Joseph Kentenich
Christus mein Leben
Ausgewählte Texte zum Christus-Jahr 1997
Herausgegeben von Günther M Boll, M. Pia Buesge, Peter Wolf
Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt
www.patris-verlag.de

 

Eingestellt von
O B
KM
Eingestellt am: 24.11.2009 17:33
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