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EK2004-47 - Kirche in der Welt gegenwärtig setzen
Aus: J. Kentenich, Predigt für die deutsche Gemeinde St. Michael in Milwaukee, USA, 8.11.1964.

Die Zukunft der Kirche hängt im wesentlichen davon ab, ob und wieweit es den Gliedern der Kirche gelingt, diese Kirche in der heutigen Welt gegenwärtig zu setzen. Den Satz verstehen wir wahrscheinlich nicht gleich. Ob wir den Unterschied zu dem vorher Gesagten ein wenig fassen? Da war die Kirche für sich, ein einziger großer Block. Die Menschen sollen zu ihr kommen! Und jetzt! Die Kirche muss sich gegenwärtig setzen, überall. Wo überall? Wo Glieder der Kirche sind. Da muss sie gegenwärtig sein! Nicht also, die Menschen müssen zur Kirche kommen: die Kirche muss zu der Welt gehen! Und wer (ist das), was heißt das, die Kirche? Ich bin die Kirche! Wo ich als Glied der Kirche stehe und gehe, da ist Kirche! Ich muss da, wo ich gehe und stehe, die Kirche gegenwärtig setzen.

Nun hören wir das gewichtige Wort noch einmal. Das bedeutet eine urgewaltige Umstellung unseres Denkens. Die Zukunft der Kirche. Was heißt das, die Zukunft der Kirche? Die Zukunft der ganzen Welterlösung, die Zukunft darüber, ob die Kirche die Menschen zum lieben Gott in den Himmel führt oder am Himmel vorbeiführt ich will nicht sagen in die Hölle , wovon hängt das ab? Jetzt nicht davon, dass wir als Priester unsere Sache gut machen: dass wir gut zelebrieren, meinetwegen den Zölibat halten, ich weiß nicht, was alles. Nicht, als wenn wir das nicht auch sollten. Nein, nein, die hängt im wesentlichen davon ab, dass die Kirche überall, wo ich gehe und stehe, ob ich Priester oder Laie bin, gegenwärtig gesetzt wird.

Jetzt müssen wir hier ein wenig stehen bleiben. Nicht wahr, wir sind im allgemeinen gewohnt so wie wir früher vielleicht Biblische Geschichte oder Kirchengeschichte gehört haben , uns nachweisen zu lassen, wie die Kirche früher in der Welt gewirkt hat. Und dann stehen wir mit Staunen davor. Aber, aber. Was heute viel wichtiger ist: wir müssen überzeugt sein, dass die Kirche heute wirkt! Die Zukunft also der Kirche, der Heilsordnung, der Erlösungsordnung hängt im wesentlichen davon ab, dass diese Kirche im heutigen Leben gegenwärtig gesetzt, präsent gesetzt wird. Im heutigen Leben!

Nun müsste ich, wenn wir Zeit hätten oder wenn wir einen ganzen Kursus halten dürften, stehen bleiben, und (wir müssten) miteinander überlegen: Wie sieht denn die heutige Welt aus? Das ist keine schlafende Welt, außerhalb der Kirche! Wohl müssen wir fürchten, dass die Kirche schläft: Requiem aeternam (dona ei, Domine)! Jawohl, hier auf Erden (gibt es) keine Ruhe, (erst im Jenseits dann die) ewige Ruhe! Nein, die Welt draußen schläft nicht, wahrhaftig nicht! Die ist bewegt! Nicht nur revolutionär bewegt: welch ein ungeheures Forschen, Studieren auf der ganzen Linie! Eine vielbewegte, geistig ungemein wache, forschende Welt! Und für diese Welt sind wir da: bin ich da, seid ihr da, jeder von uns. In dieser Welt muss ich, in dieser bewegten Welt muss ich die Kirche und wenn sie nicht insgesamt geschlafen hat, hat sie in mir geschlafen – lebendig setzen. Wodurch? (Dadurch,) dass ich ein Stück Kirche bin. Wenn die Kirche nicht in mir lebendig ist, dann ist es selbstverständlich, dann geht die Welt, die draußen wie auf einem stürmischen Meere wandelt und handelt und sich bewegt, immer weiter weg von Christus. Das Heil der Welt hängt davon ab, dass ich ich! in dieser Welt die Kirche, das heißt Christus, lebendig setze.

Wir können weiter überlegen: Wie sieht denn diese Welt aus? Ach, das wissen wir: eine vielfältig gespaltene Welt. Nicht nur gespalten zwischen Gottesgläubigen und Gottesungläubigen. Das war sie immer. Aber heute zieht der Unglaube massenweise und offiziell auf. Eine gespaltene Welt; auch gespalten, wo es sich um die christlichen Gemeinschaften handelt. Was muss ich nun tun? Ach, ich soll jetzt nicht disputieren; das ist nicht die Hauptsache. Was muss ich? Wo ich mit anderen zusammen bin, auf der Arbeitsstätte, wo auch immer: ich muss nicht ständig Streitgespräche vom Zaune reißen. Was muss ich? Die Kirche, meine Kirche gegenwärtig setzen! Wir spüren sofort, was das für eine gewaltige Aufgabe bedeutet; (wir) spüren sofort, was (für) eine Umstellung unserer ganzen Erziehung, unserer Selbsterziehung (das erfordert). Das alles, haben wir früher gesagt, das ist Sache des Klerus. Und Wir? Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis! Nein, nein! Wachet auf und wecket einander! Die Kirche muss in mir wach sein, lebendig werden! Davon hängt das Schicksal der Kirche, das Schicksal des Christentums, das Schicksal des Katholizismus ab!

Ja wie sieht die heutige Welt denn aus? Eine Welt, die von schrecklichen Nöten hin- und hergerissen wird. Ob ich jetzt etwa an die unterentwickelten Völker denke, an die urgewaltige Hungersnot, die überall in der weiten Welt um sich greift: in diese Welt, da geh ich hinein, da muss die Kirche hin! Nicht die Organisation der Kirche, wenigstens nicht zunächst; dahin geht die Kirche durch mich, wenn ich dort eine Aufgabe habe oder eine Aufgabe suchen will.

Noch einmal die Frage: Wie sieht die Welt aus? Das ist eine Welt, die urgewaltig nach einer geschlossenen, bisher nie da gewesenen Einheit sich ausstreckt. Eine Einheit! Und worin Einheit? Und welche Aufgabe habe ich in dieser Welt, die nach dieser gewaltigen Einheit ringt? Ich muss ein Baustein, aber ein lebendig-christlich-katholischer Baustein sein in diesem Ringen um die heutige Einheit, an der auch die Kirche nicht vorbeikommt. Die darf nicht im Hintergrunde bleiben, sonst geht die Welt ihren Weg, und die Kirche geht ihren Weg, und beide reißen sich ständig mehr und mehr auseinander.

Verstehen wir jetzt in etwa, was das heißt erstes Prinzip: Die Zukunft der Kirche hängt davon ab, dass alle Glieder der Kirche in ihrer Weise, wo sie gehen und stehen, die Kirche präsent-, gegenwärtig setzen?

Aus:
Peter Wolf (Hrsg.)
Erneuerte Kirche in der Sicht Josef Kentenichs
Ausgewählte Texte
Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt
www.patris-verlag.de

 

 

Eingestellt von
O B
KM
Eingestellt am: 20.11.2009 23:02
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