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CmL1996 0 Vorwort / Einführung
Peter Wolf

Im Apostolischen Schreiben „Tertio millennio adveniente“ hat der Heilige Vater die ganze Kirche eingeladen, sich auf die 2000-Jahr-Feier der Geburt Jesu Christi vorzubereiten. Er hat vorgeschlagen, das Jahr 1997 als ein Christus-Jahr zu begehen. Dieser Einladung wollen wir als Internationale Schönstattfamilie folgen. In den Weg durch das Christus-Jahr wollen wir den geistlichen Reichtum einbringen, den unser Gründer Pater Josef Kentenich in seiner Christusverkündigung für seine Gründung und darüber hinaus im Liebesbündnis erschlossen hat. Sein Wirken in einer über 60-jährigen Gründungsgeschichte ist bestimmt von dem Anliegen, Christus und Maria finden zu helfen und durch die Gottesmutter die ganze Familie zu einer lebendigen Christusergriffenheit zu führen.

In seinem Einsatz als Gründer und Seelsorger konnte er in der Regel Beziehung zu Jesus und Christusglaube voraussetzen. In vielen Exerzitienkursen und Einzelvorträgen gab er Hilfestellung und Anregungen mit dem Ziel, die Christusbeziehung der einzelnen und der Gemeinschaft zu vertiefen und zu verlebendigen. Es gehört zu seinen frühen pastoralen Erfahrungen, daß aus der Bindung an Maria eine elementare Beziehung und Liebe zu Jesus Christus wächst.

Die intensive Bemühung, Zugänge zu Christus zu schaffen und das Christusbild lebendig und gegenwartsmächtig zu künden, zieht sich durch das gesamte Wirken Josef Kentenichs. Dabei geht es ihm nicht um eine neue Christologie im Sinne eines neuen dogmatischen Ansatzes, vielmehr zielt er auf die Umsetzung der Christusbotschaft in das persönliche und das gemeinschaftliche Leben seiner großen geistlichen Familie. Er will anleiten zu einem spirituellen, praktischen Leben aus den Wahrheiten unseres christlichen Glaubens, wie sie die Heilige Schrift und die Lehre der Kirche entfalten.

Vorsehungsgläubig läßt er sich anregen von der erwachenden Liturgischen Bewegung, der Bibelbewegung und der Wiederentdeckung der christlichen Mystik in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die bedrängende Zeit des christusfeindlichen Nationalsozialismus beantwortet er mit einer vertieften Entscheidung für Christus, wobei das Christusbild der Apokalypse neue Strahlkraft und Aktualität gewinnt. Die am eigenen Leib erlebte Verfolgung und Gefangenschaft werden für ihn zu einer fruchtbaren Erfahrung der Teilnahme am Leben und Schicksal des Herrn. Texte aus der damaligen Zeit der Haft im Gestapogefängnis in Koblenz (20.9.41 - 11.3.42) und aus dem Konzentrationslager Dachau (13.3.42 - 6.4.45) gewinnen eine bewegende Tiefe und geistliche Kraft.

Christus kennenzulernen und die verschiedenen Phasen seines Lebens in sich aufzunehmen hat im Denken Josef Kentenichs das Ziel, eine immer größere Christusergriffenheit zu erreichen. Ganz im Sinne des heiligen Paulus geht es ihm dabei um die Wirklichkeit, die der Apostel mit dem Wort bezeugt: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Christus soll zum Ziel, zur Kraftquelle und zum prägenden Lebensstil des Christen werden. Er allein verdient, Mittelpunkt unserer Gedanken, unserer Herzen und unseres Lebens zu werden. Pater Kentenich weist Wege der Schriftbetrachtung und des Gebetes, die zu einer großen Christusunmittelbarkeit führen, ohne dabei die Christusmittelbarkeit außer Acht zu lassen, die für ihn vor allem in der Marienliebe besteht.

Mit besonderer Wertschätzung thematisiert unser Gründer immer neu den biblischen Gedanken der Christusgliedschaft. Während die synoptischen Evangelien die Beziehung der Christen zu Jesus in der Regel als „Nachfolge“ und „Nachahmung“ beschreiben, finden wir bei Paulus den Grundgedanken des „Seins in Christus“ und das Bild vom „Leib und den Gliedern“. Dem entspricht im Johannesevangelium die Vorstellung vom „Bleiben in Christus“ und vom „Bleiben in der Liebe“, wie es im Bild vom „Weinstock und den Reben“ verdeutlicht wird. Die paulinische und johanneische Sicht des Christseins nimmt die nachösterliche Existenz Christi und die neue Situation der ersten Christen ernst, die nicht mehr einfach Jesus hinterhergehen können. Dieses frühchristliche Verständnis hat den Vorteil, die Zugehörigkeit zu Christus nicht zuerst unter moralischen Gesichtspunkten zu beschreiben, sondern als geschenkte Wirklichkeit in den Blick zu bekommen.

Wenn Pater Kentenich die paulinische und johanneische Theologie bevorzugt aufgreift und dabei geradezu das „Seinsmäßige“ dieser Aussagen unterstreicht, will er damit ein Gegengewicht schaffen zu einer ganz vom Ethischen und Moralischen bestimmten Christusnachfolge. Er ist bestrebt, diese Sicht der Christusverbundenheit fruchtbar zu machen für alle Lebensbereiche und bis hinein in unser Lebensgefühl. Er sieht darin eine Hilfe gegen die Entwertungstendenzen einer modernen Massengesellschaft, gegen die Gefährdung durch Minderwertigkeitsgefühle vielfältiger Art. Gelebte Christusbeziehung will sich auswirken in einem adeligen, ja göttlichen Lebensgefühl, das schöpft aus der Freiheit und Würde der Kinder Gottes.

Aus der Zeit der Verbannung nach Milwaukee (1952-65) stammt die bewußte Fragestellung nach dem eigenen, für die Schönstattbewegung typischen Christusbild. Der Gründer antwortet darauf mit dem Hinweis auf drei Dimensionen im Christusbild und in der Christusfrömmigkeit Schönstatts. Er stellt Jesus Christus immer neu dar in seiner dreifachen Beziehung zum Vater im Himmel, zu Maria und zu den Menschen. Es geht ihm um eine patrozentrische Grundorientierung und darüber hinaus um eine marianische und apostolische Perspektive, die er betonen und für die Nachfolge fruchtbar machen will.

Viele seiner Texte sind ganz erfüllt von der Beziehung Jesu zu seinem Vater als Kind und Sohn, der vom Willen des himmlischen Vaters bestimmt ist und alle heimwärts führen will zu ihm. Jesus lebt so sehr im Vater, daß er ihn gerade dadurch sichtbar macht und unter den Menschen offenbart. In dieser bewußt patrozentrischen Sicht Jesu lebt die Abba-Anrede der synoptischen Evangelien und die elementare Vaternähe und Vatertransparenz Jesu, wie sie uns das Johannesevangelium bezeugt. In dieser stark patrozentrischen Sicht folgt der Gründer dem Grundgesetz der Liturgie: Durch Christus im Heiligen Geist zum Vater.

Die gleichzeitige Vorliebe, Jesus in der Verbundenheit mit seiner Mutter Maria zu sehen und zu künden, will die biblische und kirchliche Mariologie in ihrer ganzen Fülle aufnehmen. Diese Sicht ist zutiefst inspiriert von der gläubigen Erfahrung der Kirche und der reflektierten Gewißheit der Theologie über die bleibende Zugehörigkeit der Gottesmutter zum Heilsplan und Heilsgeschehen, wie sie auch das 8. Kapitel von „Lumen Gentium“ kündet. Die geistliche Fruchtbarkeit dieser marianischen Sicht des Herrn zeigt sich im Leben der Heiligen und nicht zuletzt im Lebensaufbruch der Schönstattfamilie, in der viele gerade aus diesem marianischen Ansatz zu einer lebendigen Christusbeziehung gefunden haben. Dafür steht auch Karl Leisner als erster Seliger aus der Schönstattfamilie.

Die dritte Dimension im Christusbild, die unser Gründer gerne entfaltet, zeigt Christus in seiner Beziehung zu den Menschen als ihr Erlöser und Guter Hirt. Eine Gemeinschaft, die sich zutiefst als eine apostolische Bewegung versteht, tut gut daran, ihr Christusbild ganz von dieser Perspektive prägen zu lassen. Jede Begegnung mit Christus soll uns hineinziehen in seine Aufgabe gegenüber den Menschen und uns hinführen zu gelebter Solidarität und Verantwortung.

Im Denken Pater Kentenichs stoßen wir immer wieder auf das Anliegen der Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte und der heutigen Wirksamkeit des Herrn. Diese prophetische, aktualisierende Ausrichtung seiner Verkündigung verdichtet sich in der Hoffnung auf eine „Neugeburt Christi“ in der Geschichte. Er greift die Vorstellung des heiligen Paulus auf, der im Blick auf das Christwerden seiner ersten Gemeinden von „Geburtswehen“ spricht, und entwickelt den Gedanken einer Neugeburt des Christentums für die Zukunft der Kirche durch die erzieherische Wirksamkeit der Gottesmutter in vielen Menschen. So soll von Schönstatt aus eine neue Initiative für das Christentum der Zukunft ausgehen. Nicht menschliches Organisationstalent, sondern das Charisma der Christusgebärerin und Christusbringerin Maria ist für ihn die Grundlage solcher Hoffnungsgedanken. In diesem Sinn erwartet auch der Heilige Vater eine neue Geburt des Herrn durch die Gottesmutter, worauf wir uns gleichsam in einem großen Advent im Blick auf das Gnadenjahr 2000 vorbereiten sollen. Daß Christi Geburt heute neu aktuell wird und sich auswirkt in einem Neuaufbruch des Christentums im kommenden Jahrtausend, ist die Hoffnung des Heiligen Vaters wie auch des Gründers der Schönstattbewegung. Die Erfahrung mit der Entstehung des Heiligtums in Schönstatt und der erlebte Aufbruch in seinem Umfeld geben unserem Gründer die Zuversicht, daß die Gottesmutter in diesem Sinn die Initiative ergriffen hat. Dieser Neuaufbruch des Christentums wird allerdings nicht möglich sein, ohne daß sich ganz viele Christen wie Maria zur Verfügung stellen, um Christus mit ihr in die Welt hineinzutragen, damit er der Herr der neuen Zeit wird.

Schließlich gilt das Interesse unseres Gründers der Bedeutung Jesu für die Geschichte im ganzen. Er interpretiert den Sinn der Weltgeschichte von Jesus her als Vorbereitung, Fortsetzung und Vollendung der Lebensgeschichte Jesu. Er begreift die Geschichte als eine sieghafte Heimholung zum Vater durch Jesus Christus. In diesem heilsgeschichtlichen Denken ist Josef Kentenich zutiefst inspiriert vom Christuszeugnis der Offenbarung des Sehers auf Patmos. Nicht irgendwelche apokalyptischen Spekulationen, sondern geschichtstheologisches Interesse lassen ihn diese biblische Sicht Christi und seine Stellung in der Weltgeschichte künden. Er weiß sich dazu herausgefordert in einer Zeit, die er als Umbruchzeit apokalyptischen Ausmaßes charakterisiert, und von Zeitströmungen, die Christi Stellung negieren und in Frage stellen wie der Nationalsozialismus und der atheistische Bolschewismus. Ganz im Sinne der christlichen Apokalypse läßt er sich herausfordern zur Neuentscheidung für Christus und zu einer Zuversicht, die im gläubigen Ernstnehmen auch der widergöttlichen Tendenzen in der Geschichte überzeugt bleibt, daß Christus die Zügel der Weltgeschichte in seinen Händen hält. Wer Jesus Christus so sieht, wird mit Zuversicht in das nächste Jahrtausend gehen und für Christus und sein Reich leben.

Die vorliegende Auswahl von Christustexten Pater Josef Kentenichs ist im Auftrag des Generalpräsidiums des Internationalen Schönstattwerkes entstanden und wird auch in englischer und spanischer Sprache zum Christus-Jahr erscheinen. Mit der Auswahl, der thematischen Zuordnung und Bearbeitung der Texte waren beauftragt P. Günther M. Boll, Sr. M. Pia Buesge und Dr. Peter Wolf. Als hilfreiche Vorarbeiten dienten uns die Textsammlungen des Säkularinstitutes der Frauen von Schönstatt und der Schönstattpatres. Dankbar sind wir für zahlreiche Texte aus dem internen Schulungsmaterial der Schönstätter Marienschwestern. Wir danken den Generalleitungen der genannten Gemeinschaften für die Abdruckrechte. Unser Dank gilt sodann dem Schönstatt-Verlag und dem Patris-Verlag sowie dem Schönstatt-Frauenbund, der Schönstatt-Mädchenjugend und der Schönstatt-Frauenliga, die uns weitere Texte zur Verfügung gestellt haben.

Wir hoffen, mit dieser Textsammlung zentrale Linien und Anliegen der Christusverkündigung unseres Gründers zu Wort gebracht zu haben. Vielleicht freut es viele in der Schönstattfamilie und darüber hinaus, diese Zusammenschau der Christusbotschaft Pater Kentenichs endlich zur Verfügung zu haben. Man wird beachten müssen, daß die Texte aus ganz unterschiedlichen Kontexten stammen und meist gesprochenes Wort sind. Wir haben deshalb in der Quellenangabe immer sichtbar gemacht, an wen die Texte sich ursprünglich richten. Möge der in den Texten sich zeigende geistliche Reichtum uns helfen, das Christus-Jahr so zu gestalten, daß es unsere Beziehung zu Jesus Christus verlebendigt und bereichert.

Unserem Gründer war es ein großes Anliegen, daß seine geistliche Familie ihr „Christusideal klar sieht und in den einzelnen Gliedern mit ganzer Seele umfaßt“, wie die Sponsa-Gedanken bezeugen. In der Dunkelhaft des Gestapo-Gefängnisses von Koblenz bedrängte ihn die Not, vielleicht sterben zu müssen, ehe dieses große Ziel erreicht ist. Aus diesem brennenden Anliegen schrieb er im Gefängnis das folgende Gebet:

Heiland,
wenn du mich nicht für wert und würdig hältst,
dich deinen Lieblingen zu künden,
dann laß dich durch deine Mutter bewegen,
ein anderes Werkzeug dafür zu erwählen.
Ich will dann wenigstens im Hintergrund Gesundheit, Kraft und Leben
dir schenken für dieses gotteswürdige Geschenk.
Laß deine Familie nicht von schwereren Stürmen umtost werden,
ehe sie dich besser kennt und liebt.

Mutter,
du hast zwar bislang deine Kinder zum Heiland geführt,
verlangst aber zur Fortsetzung und Vollendung deiner Tätigkeit
unsere bewußte und allseitig tiefgreifende Mitwirkung.
Laß die Deinen nicht auf hohe See,
ehe sie durch deine Werkzeuge diese Arbeit
einigermaßen abgeschlossen haben.
Ich stehe dir mit allem, was ich bin und habe,
für diesen Zweck zur Verfügung.
Willst du meine Arbeit: Adsum!
Willst du das langsame Verbluten aller geistigen Kräfte: Adsum!
Willst du meinen Tod: Adsum!
Aber sorge dafür, daß alle, die du mir gegeben, den Heiland lieben,
für ihn leben und sterben lernen.

Von jemand, der so beten kann und so für Christus brennt, lasse ich mich gern zu Christus führen.

Am Fest der Verklärung des Herrn, 6. August 1996

Peter Wolf

Erschienen in:
Joseph Kentenich
Christus mein Leben
Ausgewählte Texte zum Christus-Jahr 1997
Herausgegeben von Günther M Boll, M. Pia Buesge, Peter Wolf
Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt
www.patris-verlag.de

 

 

Eingestellt von
O B
KM
Eingestellt am: 24.11.2009 17:16
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