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JoBr52-06_Fortsetzung_4

„Empfangendes Hingegebensein ist gleichbedeutend mit Mütterlichkeit, mit dem Ewigen in der Frauennatur. Mütterlichkeit kennt Fähigkeit und Bereitschaft zur Hingabe bis zur restlosen Aufopferung aller Kräfte des Leibes und der Seele. Sie ist stets darauf eingestellt, sich selbstlos einzufühlen, zu dienen, zu verzeihen und auszugleichen. Sie lebt allezeit in der Welt höchster Ideale, auch dann noch, wenn sie ungezählt viele Male enttäuscht worden ist. Kann sie sich nicht entfalten, so muss sie verkümmern, sie wird zum Zerrbild und schafft Zerrbilder: vergrämte, verbitterte, versteinerte Herzen... Ähnlich geht es dem Mann, dem Priester, der aufhört altera Maria zu sein und die altera Maria in sich entfalten zu lassen. Früher oder später vermehrt er das endlos große Heer der verbitterten Priestergestalten, die sich, Gott und den Menschen zur Last fallen und als Bleigewichte alles nach unten ziehen.“ [43]

Was Gertrud von Le Fort von der Herrlichkeit der Ewigen Frau auszusagen weiß, will in besagtem Sinne auch auf den Mann, nicht zuletzt auf den Priester angewandt werden... „Ihr glaubet immer, dass es nur auf euch alleine ankommt“ - so lässt die Dichterin die weise Glismuoda im "Reich des Kindes“ zu den Männern aus dem Stamme Konradins sagen – „und doch stehet ihr erst an der letzten Stelle… erst kommt die Schöpfung, das ist die Herrlichkeit Gottes, danach kommt die Empfängnis, das ist die Demut des Weibes; danach erst kommt die Tat, das ist die Gewalt des Mannes“. [44] So wird ein anderes Wort aus ihrem Munde ver- [[216]] ständlich: „Die Welt kann zwar durch die Kraft des Mannes bewegt werden, gesegnet aber im eigentlichen Sinne des Wortes wird sie immer nur im Zeichen der Frau.“ [45]

Das Zeichen der Frau gilt auch für den Mann. Dieses Ewige in der Frau, das empfangende Hingegebensein ist der Anruf Gottes an sie und an alle, die Gott ganz gehören wollen: „Die Frauen, die dem göttlichen Anrufe nicht gehorchen, verlieren nicht nur die Ewigkeit, sondern auch die Zeitlichkeit.“ [46] Dieser Anruf will vollkommen gehört und beantwortet werden, sonst erstickt der Mensch in Halbheit, er wird zum Zerrbild. Tante Edelgard bekennt im „Schweißtuch der Veronika“ [47] in ihrer Lebensbeichte [48]: „Denn dieses ist das Zeichen aller, die Gott im Geheimen widerstehen, dass auch ihre letzte Frömmigkeit zum Zerrbild wird:… Ich klage mich an, der Seele meines Verlobten durch meine Frömmigkeit geschadet zu haben. So wie er diese an mir sah, konnte er sie nur hassen. [49] … Und so habe ich mich denn vor Gott versteckt, von einem Tag zum anderen, und habe ihn hingehalten von einem Tag zum anderen und habe ihm geboten, was er nicht verlangt hatte, nämlich dieses und jenes, aber nicht mein alles, und habe mit ihm um mich gehandelt [50] … Ich habe das getan nicht nur zu meinem eigenen Verderben, sondern auch zu dem meiner Zuhörer [51] ... Ich habe mich Gott niemals völlig hingegeben... Ich habe mich nicht versagt mit einem klaren und deutlichen „nein“ sondern mit einem ungenügenden „ja“.

Diese Halbheit in der Hingabe muss sich die Kritik gefallen lassen: „Der Katholizismus meiner Tochter hat keine Wirklichkeit, er hat weder Füße um zu gehen, noch Hände um zu greifen, und ich fürch-te, er hat auch kein Herz.“ Oder: „In Wirklichkeit war ihre späte Jugendlichkeit wohl nur das bedenkliche Erkennungszeichen eines Lebens, das sich den großen mitnehmenden Entscheidungen immer versagt hatte. Solche Halbheit im Leben entfaltet sich nach bestimmten Fallgesetzen, sie mündet letzten Endes im Abgrund aus. Veronika hat ein feines Gespür für diese Halbheit, für den Mangel an Ganzheit im Leben ihrer Tante Edelgard. Sehr schnell entdeckt sie auch deren Quelle und Wirkung. Es ist der Mangel an wahrer Freiheit. „Es wurde mir also klar, dass sie einiges, wovon ich gemeint habe, sie tue es freiwillig, gar nicht freiwillig tat, sondern unter einem geheimen Zwang, ja fast als unterliege sie einer fremden Gewalt, die sie gerade zu dem nötige, was ihr im Grunde genommen am schrecklichsten war.“ Erschreckend aber durchaus wahr ist das Bekenntnis der Tante: „Wenn das Weib fällt, so wird Gott das ganze Volk strafen.“ [52] Das heißt, will die Frau dem Göttlichen gegenüber nicht empfangend ganz hingegeben sein, so erlischt „das metaphysische Geheimnis“ [53], die objektive Seinsstruktur der Frauennatur ist verletzt, sie lebt innerlich gespalten und verbreitet überall Disharmonie um sich herum. So verwirklicht sich des hl. Augustinus Wort: „O Gott du hast uns so eingerichtet, dass sich jeder ungeordnete Geist selbst zur Strafe wird.“ [54]

Die Gottesmutter stellt das Ideal dieses metaphysischen Geheimnisses dar, sie ist und bleibt seine ewige Hüterin und Vermittlerin: Sie ist es in sinngemäßer Weise für beide Geschlechter.

Ähnlich fruchtbar ist ihr Sein und Wirken in der natürlichen Ordnung, d. h. dort, wo es sich um den natürlichen Bindungsorganismus handelt. Der innere Zusammenhang der hier gemeinten Lebensvorgänge ist nicht schwer zu verstehen, wir brauchen uns bloß an bekannte Gesetzmäßigkeiten zu erinnern. Die Liebe zur Gottesmutter - das wissen wir aus Theorie und Praxis - drängt mit ihrer vereinigenden und verähnlichenden Kraft fast wie von selbst zu einer gesunden marianischen Empfindungsweise und Denkstruktur: zum organischen, ganzheitlichen, symbolhaften und zentrierten Denken. So sieht nach der Richtung die Lebensübertragung aus, die im Liebesbündnis wirksam ist, und die durch die Fürbitte der Gottesmutter und die von ihr herabgeflehten Gaben des Heiligen Geistes wesentlich unterstützt und vervollkommnet wird.

Alles in allem, wer von mechanistischem Denken angekränkelt ist, wird durch die Großmacht des von uns gezeichneten Liebesbündnisses schnell [[217]] und dauernd davon befreit.

Vor Monaten war in Berlin eine große Priesterversammlung. Man forschte dort nach Mitteln zur Überwindung der bolschewistischen Gefahr in unmittelbarer Nähe der Gefahrenzone. Nach langen Erwägungen und Überlegungen einigte man sich. Man gab die Parole aus: Wir müssen die Gottesmutter auf das Schlachtfeld führen. Das haben wir in Schönstatt von Anfang an getan, deshalb sind wir vor kollektivistischem und mechanistischem Denken bewahrt geblieben, deshalb sind wir geworden, was wir heute sind, deshalb werden wir morgen und übermorgen, was im Plane der göttlichen Weisheit, Allmacht und Liebe für uns vorgesehen ist. „Alle katholischen Unternehmungen, die verkrachen“, so erklärt ein Franzose, „brechen zusammen, weil zu wenig von Maria in ihnen ist.“ [55] Entspricht das Wort der Wahrheit, so löst es viele Rätsel unserer Familiengeschichte. Es gibt uns den Grund an für den Segen, den wir so reichlich bergen und weiterleiten dürfen. Die heilige Brigitta sah in einer Vision Maria auf einem Triumphwagen sitzen, der ganz von Kränzen mit Rosen umschlungen war [56]. - Für uns sitzt auf diesem Wagen die Dreimal Wunderbare Mutter und Königin von Schönstatt, die in Schönstatt ihren Gnadenthron aufgeschlagen hat und zu den Völkern und Nationen hingeführt werden will. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen Triumphwagen überall in die Schlachtreihen hineinzubringen... Das haben wir bisher getreulich getan... und wurden reich gesegnet. Das sei auch fortan unsere Aufgabe. Wenn wir ihr treu bleiben, werden wir wie bislang die Gefahren des kollektivistischen und mechanistischen Denkens glänzend überwinden.

Es wird uns auch dann glücken, wenn sich George Orwell's Zukunftsroman [57] verwirklichen sollte: Orwell schildert, wie Bürger eines Autoritätsstaates jeden Morgen sich einem Programm fünf Minuten Hass unterwerfen müssen. Die Fernsehapparate sind so eingerichtet, dass man von der Zentrale aus jeden beobachten kann. Jeder muss sich deshalb der Propagandamaschine, die mit allen Mitteln ausgeklügelter psychologischer Meisterschaft arbeitet, Tag für Tag aussetzen; kritische Bedenken werden im Sturmangriff genommen. Es dauert nicht lange, da wird jeder Mann von einem erschreckenden Taumel erfasst: Was im Anfang unmöglich schien, ist nunmehr selbstverständlich. Er brüllt mit, er schreit mit, er hasst mit ... genau so wie die Meisterpropagandisten „im Ministerium der Wahrheit“ es wollen und die Apparatur spielen lassen.

Wir halten gläubig an Pallottis Wort fest, dass sich in der Familiengeschichte ungezählt viele Male verwirklicht hat: Maria ist - auch in solchen Situationen, wie wir sie erwarten müssen - der große Missionar, sie wird Wunder wirken [58]. Solange wir unser Liebesbündnis einzeln und in Gemeinschaft zum Grundsinn und Grundziel, zur Grundnorm und Grundform unseres Lebens machen, solange wir unsere erste Liebe bewahren, bewahrheitet sich das Wort: qui me invenerit inveniet vitam et hauriet salutem a Domino. [59]

Damit schließen wir unsere Gedanken über die erste Tatsache. Sie heißt: Die Gottesmutter hat ein bedeutsames Liebesbündnis mit Schönstatt und allen Schönstattkindern geschlossen. [60]

Der Boden ist vorbereitet zum Verständnis einer zweiten Tatsache, sie lautet: Beide Bündnispartner sind dem Liebesbündnis unentwegt treu geblieben.

[43] Gertrud von Le Fort, Zitat nicht aufgefunden
[44] Gertrud von Le Fort, Das Reich des Kindes. Legende der letzten Karolinger. München 1934, 45f
[45] Gertrud von Le Fort, Die ewige Frau. 20. Auflage, München 1960, 29
[46] Gertrud von Le Fort, Zitat nicht aufgefunden.
[47] Gertrud von Le Fort, Schweißtuch der Veronika (Erstausgabe 1928) hier: München 17. Auflage 1990.
[48] AaO 359-376
[49] AaO 366
[50] AaO 364
[51] AaO 371. Die folgenden Aussagen von Tante Edelgart und die des antwortenden Priesters lassen sich in der Lebensbeichte nicht wörtlich nachweisen, belegen aber den inneren Duktus dessen, was Kentenich klarstellen will.
[52] Ende des Bezugs zur Lebensbeichte in: Schweißtuch der Veronika
[53] Gertrud von Le Fort; Die ewige Frau. 20. Auflage, München 1960, 13-18
[54] Vgl. A. Augustinus, Confessiones I, 12 „Denn so hast du es befohlen, und es ist so, dass jeder ungeordnete Geist sich selbst zur Strafe wird."
[55] J. Kentenich berichtet von einer Priesterversammlung in Berlin, über die er vermutlich durch einen Tagungsbericht oder einen Teilnehmer Kenntnis erhalten hat.
[56] Vgl. dazu: Pater Josef Kentenich, Maria - Mutter und Erzieherin, Vallendar-Schönstatt 1973, 172 Anm. 13
[57] George Orwell, Nineteen Eighty-Four, London 1949
[58] Zu dem von J. Kentenich oft in dieser Form als Aussage von Vinzenz Pallotti zitierten Wort vgl. Josef Frank, Vinzenz Pallotti, Bd. 2, Friedberg 1952, 493: Wenn er (Pallotti) Missionaren Marienbilder überreichte, sprach er mit kindlichem Vertrauen: „O wie viele Wunder wird unsere Liebe Frau wirken! Seht da den großen Missionar! Meine Mutter, gehe du hin und predige jenem armen Volke!“
[59] Wer mich findet, findet das Leben und wird Wohlgefallen vom Herrn erlangen. Spr 8,35
[60] Vgl. J. Kentenich, Das Lebensgeheimnis Schönstatts, Bd. 1, Vallendar-Schönstatt 1971, 84

Eingestellt von
OB
KM
Eingestellt am: 01.03.2014 11:43
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