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Haus Moriah Gemeinschaft Unter den Augen - Aus der Einführung

Peter Wolf (Hg.)

Unter den Augen des barmherzig liebenden Vaters

Ausgewählte Texte von P. Josef Kentenich zur Barmherzigkeit

 

Aus der Einführung

Unter den Augen - Buchtitel
Kaum hatte der Heilige Vater das Jahr der Barmherzigkeit angekündigt, gab es von verschiedenen Seiten Hinweise aus der Schönstatt-Bewegung auf die große Rolle, die das Thema Barmherzigkeit bei Pater Kentenich spielt. Vielen war in lebendiger Erinnerung, dass der Gründer vor allem in den letzten Jahren seines Wirkens immer wieder ganz engagiert das Thema der Barmherzigkeit in den Vordergrund gestellt hat. In seinem ersten Brief an seine geistliche Familie nach dem Ende seines Exils hatte er von einem „neuen Vater-, Kindes- und Gemeinschaftsbild“ gesprochen und dies als eine Frucht des 14-jährigen Exils in Milwaukee bezeichnet.

Ausgangspunkt und innere Mitte dieses dreifachen Bildes ist die Erfahrung des barmherzig liebenden Vatergottes. Dabei geht es nicht um Ergänzungen zur biblischen Offenbarungsbotschaft auf dem Weg mystischer Erfahrungen, sondern um die wachsende Gewissheit eines Gründers und seiner geistlichen Familie, die sich auf die biblische Botschaft mitten in unserer Zeit einlassen. Pater Kentenich hat über Jahrzehnte mit großer Geduld und innerer Überzeugungskraft zu Gott als einem barmherzig liebenden Vater hingeführt. Er hat dieses Gottesbild aus der biblischen Botschaft erarbeitet und immer wieder in geistlicher Begleitung und in seinen Vorträgen und Predigten dargestellt. Gleichzeitig hat er sich abgegrenzt und abgesetzt von einem Gottesbild, das in Menschen mehr Furcht und Angst auslöste als Ehrfurcht und Liebe weckte. Viele haben in Pater Kentenich einen väterlichen Priester erlebt, in dessen Person auf menschliche Weise die Botschaft vom barmherzig liebenden Vatergott erfahrbar und erlebbar wurde.

Die Erarbeitung dieses neuen Gottesbildes für die werdende Bewegung ist bereits deutlich zu greifen in einer Vortragsreihe aus dem Beginn und der Mitte der 30erJahre. Pater Kentenich hat die Veröffentlichung dieser Vorträge einer Schwester seiner damals bereits gegründeten Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern anvertraut und überlassen. Unter ihrem Namen M. Annette Nailis sind diese Vorträge mit dem Titel „Werktagsheiligkeit“ erschienen. In einem Exerzitienkurs mit dem Thema „Vollkommene priesterliche Lebensfreude“ im Jahr 1934 erschließt der Gründer aus dem Geist des heiligen Franz von Sales das „Weltgrundgesetz der Liebe“. In einwöchigen Exerzitien für die Missionsgemeinschaft Bethlehem, veröffentlicht mit dem Titel „Kindsein vor Gott“, entfaltet er im Jahr 1937 das Gottesbild des liebenden Vaters.

Die vorliegende Textsammlung bringt vielfältige Zeugnisse aus den verschiedenen Jahren seines Wirkens. Sie möchte zeigen, wie das Thema bei ihm gewachsen ist und sich angereichert hat. Pater Kentenich schöpft dabei beständig aus der Botschaft des Alten und Neuen Testamentes. Er geht bewusst in die Schule des Völkerapostels Paulus. Er lässt sich anregen und geistlich bereichern durch das Zeugnis von Heiligen wie Franz von Sales, Teresa von Avila und Theresia vom Kinde Jesu. Er schöpft aus dem geistlichen Erbe von Vinzenz Pallotti und macht es zugänglich für seine geistliche Familie, wie der Oktoberbrief 1949 auf eindrückliche Weise zeigt. Darin finden sich ganz bewegende Gebete, in denen Vinzenz Pallotti Gott als die „unendliche Barmherzigkeit“ anspricht. Bei ihm findet er auch den Gedanken, dass das Gottesbild das Menschenbild und Gemeinschaftsbild bestimmt und beeinflusst. Er sucht in Philosophie und Dichtung nach Spuren und Einsichten, die in Beziehung stehen zu seiner Sicht des barmherzig liebenden Vatergottes.

Was in Schönstatt an grundlegend biblischen und theologischen Gedanken zusammengetragen ist, hat Pater Kentenich in seinem seelsorgerlichen Wirken und seiner spirituellen Schulung und geistlichen Begleitung beständig festgehalten und über Jahre weiter angereichert. Dabei setzt er mit pädagogischem Geschick darauf, dass diese Gedanken lebensmäßig umgesetzt werden. Er regt dazu an und trägt dazu bei, dass in seinen Gemeinschaften geistliche Strömungen aufbrechen und Ideale und Symbole einzelner Kurse und Provinzen entstehen, die um diese Gedanken kreisen und sie im Alltag präsent setzen.

Es ist erstaunlich, wie viel Pater Kentenich zum Anliegen des barmherzig liebenden Vaters zusammengetragen hat. Mir ist dies deutlich geworden auf dem Hintergrund des sehr anregenden und lesenswerten Buches von Kardinal Walter Kasper: Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel des christlichen Lebens (2014). Aus seiner umfassenden Kenntnis der Theologiegeschichte macht Kardinal Kasper deutlich, dass Barmherzigkeit ein „sträflich vernachlässigtes Thema“ der Theologie ist. Er kann zudem überzeugend Gründe aufweisen, die dazu geführt haben, dass in der Theologie nicht die Barmherzigkeit, sondern andere Eigenschaften Gottes wie Allmacht, Allwissenheit und Gerechtigkeit in den Vordergrund gerückt wurden. Gleichzeitig macht sein Buch deutlich, dass die Barmherzigkeit zur Mitte der biblischen Botschaft und des christlichen Lebens gehört.

Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ist eine Chance, diese zentrale Botschaft neu in die Mitte zu rücken. Schönstatt möchte seinen Teil dazu beitragen.

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