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Donnerstag 28.03.2024, 13:10 Uhr
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Mutter Teresa: Begegnung mit einer Heiligen




Es wird ein Höhepunkt des Jahres der Barmherzigkeit werden, wenn Papst Franziskus am 4. September Mutter Teresa von Kalkutta heilig sprechen wird. Schon zu Lebzeiten haben viele Menschen in ihr eine Heilige gesehen und in der Begegnung mit ihr gespürt, dass hier mehr ist als nur ein engagierter Mensch oder eine bekannte Persönlichkeit. Ich werde jedenfalls die Begegnung mit ihr nie vergessen.

Es war beim Katholikentag in Freiburg 1978. Ein kleiner Kreis von Verantwortlichen der Berufungspastoral hatte die Idee, Mutter Teresa nach Freiburg einzuladen. Uns bewegte dabei die Hoffnung, das Thema der Berufung neu ins Gespräch zu bringen. Wir wollten sie bitten, im Freiburger Münster zu jungen Leuten gerade dazu ein Zeugnis zu geben. Mir war die Aufgabe zugefallen, den Gottesdienst mitvorzubereiten und so kam es zu der Gelegenheit, persönlich mit Mutter Teresa zusammenzutreffen.

Freiburg 1978
Freiburg 1978
Da stand sie also vor mir mit ihrem weißen Sari mit den blauen Streifen, noch kleiner, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ganz aufmerksam, ganz zugewandt stand sie vor mir. Ich hatte irgendwie das Gefühl, sie ist gleichzeitig im Gebet, während sie mit mir spricht. Der Rosenkranz glitt beständig durch ihre knochigen Finger. Ganz bei Gott und doch ganz bei den Menschen. Voller Freude erzählte ich ihr von einer jungen Studentin, die mir den Wunsch anvertraut hatte, der Gemeinschaft von Mutter Teresa beizutreten.

Nach dem Gespräch im Büro gingen wir zur Hauskapelle im Geistlichen Zentrum des Katholikentages, das damals im Collegium Borromaeum eingerichtet war. Kaum hatte sie den Tabernakel gesehen, war sie auf den Knien, ganz ausgerichtet auf IHN mit allen Sinnen... Danach begleitete ich sie durch das Haus zur Pforte auf die Schoferstraße. Immer wieder kamen Menschen, die einfach ihr Kleid berühren wollten. Es kam mir vor wie im Evangelium, als Jesus durch die Straßen ging und die Menschen ihn berühren wollten.

Eine andere Erinnerung, die sich mir eingeprägt hat, ist die Begegnung mit Kardinal Ratzinger in der Sakristei des Freiburger Münsters vor dem Vigil-Gottesdienst am späten Abend. Der Kardinal war bereits in der Sakristei im leuchtenden Kardinalspurpur. Jemand begleitete sie in die Sakristei in ihrem weiß-blauen Sari mit einer dünnen, grauen Weste darüber. Sie geht sofort auf ihn zu, grüßt ihn demütig und küsst seinen Bischofsring. Bis zum heutigen Tag ist dieser Augenblick für mich das Bild für die Begegnung von Amt und Charisma, das mir nicht mehr aus dem Sinn geht. Um 22.30 beginnt der Gottesdienst. Das Freiburger Münster ist seit Stunden gefüllt und auch draußen drängen sich die Menschen. Nach Gesängen und Lesungen, einer Predigt von Kardinal Ratzinger und einer Predigt von Bischof Stroba von Polen ist die Reihe an Mutter Teresa. Sie tritt ans freistehende Mikrofon, lediglich den Rosenkranz in der Hand wie in der Begegnung im Büro.

Ohne Umschweife lädt sie die Tausenden von Jugendlichen ein, mit ihr ein Ave Maria zu beten. Dann beginnt sie mit ihrem Zeugnis. Um zu sagen, was ihr Berufung bedeutet, spricht sie sofort von Maria: „Die Berufung unserer Lieben Frau ist die Aufnahme Jesu in ihr Leben hinein.“ Und wenig später: „Vocation is to belong to Jesus…“ „Berufung heißt zu Jesus gehören...“ Danach erzählt sie schlicht und einfach, was sie und ihre Schwestern seit Jahren im Einsatz für die Ärmsten der Armen tun. Alle hören ihr zu und spüren etwas von ihrer unmittelbaren und hautnahen Beziehung zu den Ärmsten der Armen. Viele beginnen etwas zu ahnen von ihrer Leidenschaft für Christus in den Armen und Sterbenden auf den Straßen von Kalkutta und wo immer sie sie findet.

Noch mehr als im Büro berührt es mich und mit mir Unzählige in dieser Nacht: Da spricht eine Heilige. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass sie gar nichts Besonderes sein will. Sie lässt überhaupt keinen Unterschied aufkommen: „Der Ruf gilt für Euch und für mich!“ „Heiligkeit ist eine Pflicht für Dich und für mich.“ Ich habe diese Worte heute noch im Ohr: „Holiness is not a luxury of the few, it is a simple duty for you and for me”. Diese Worte gilt es auch in diesen Tagen zu hören, da Mutter Teresa von Papst Franziskus heiliggesprochen wird. Sechs Jahre nach ihrem Tod wurde Mutter Teresa von Johannes Paul II. selig gesprochen. Damit und erst recht mit der Heiligsprechung am 4. September wird nach mehrjährigem Prozess feierlich verkündet, was viele in und außerhalb der Kirche in seltener Einmütigkeit längst dachten und zum Ausdruck brachten: Mutter Teresa ist eine Heilige.

Ihr Leben hat die Menschen überzeugt. Vielen kommt es geradezu übermenschlich vor, was sie geleistet und bewegt hat. Vieles davon wird im Umkreis der Heiligsprechung neu durch die Medien gehen, mit beeindruckenden Zahlen und bewegenden Beispielen. Doch wird man auch hinschauen und aufnehmen, warum sie das alles getan hat, und was diese Frau zutiefst bewegte?

Ich wünsche mir, dass die Heiligsprechung dazu beträgt, ein Licht darauf zu werfen, was die eigentliche Motivation von Mutter Teresa war und woher sie die Kraft fand zu dem, was sie tat. Die Faszination von Mutter Teresa liegt tiefer. Mich bewegt nicht nur ihr engagiertes Leben, mich fasziniert gleichzeitig ihre Spiritualität, ihr geistliches Erbe. Da lebt eine Schwester aus der Mitte des Evangeliums. Hier lebt jemand Barmherzigkeit bis zum Letzten. Dabei nimmt sie Jesus beim Wort: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihre mir getan.“ Da lebt eine Schwester und inzwischen mit ihr Hunderte und Tausende davon, die Gegenwart Jesu in den Armen so konkret und ernst zu nehmen wie die Gegenwart des Herrn in der Eucharistie. Mutter Teresa legt die christliche Wurzel offen, aus der ein letztes und unbedingtes Engagement für den Ärmsten kommen kann.

In der Kapelle der Schwestern von Mutter Teresa in Bujumbura/Burundi - 'Weihe an Jesus durch Maria - ein geistlicher Weg zum Herzen des Vaters'.
In der Kapelle der Schwestern von Mutter Teresa in Bujumbura/Burundi - "Weihe an Jesus durch Maria - ein geistlicher Weg zum Herzen des Vaters".
Mir ist diese spirituelle Mitte und Quelle, aus der Mutter Teresa lebt und ihre Schwestern inspiriert hat, in den letzten Jahren noch einmal aufgegangen, als ich erfuhr, warum sie das Kreuz der Einheit so geliebt hat, das in unserer Schönstatt-Bewegung schon lange und beim 100jährigen Jubiläum eine besondere Rolle spielte. Mutter Teresa hat dieses Kreuz auf der Straße im Schmutz gefunden und wusste nichts von seiner Geschichte. Sie entdeckte es wieder bei einem Besuch im Vatikan als Brustkreuz von Erzbischof Errázuriz, als er Sekretär der Kongregation für das gottgeweihte Leben war. Ihm gegenüber äußerte Mutter Teresa, dass dieses Kreuz für sie am besten zum Ausdruck bringt, was sie und ihre Gemeinschaft verwirklichen wollen: Wie Maria unter dem Kreuz den Sterbenden beistehen und dabei Christus begegnen. Der Erzbischofs und spätere Kardinal hat ihr darauf hin Hunderte solcher Kreuze der Einheit für ihre Schwestern besorgt.

Ich möchte Mutter Teresa ernst nehmen in ihrem ganz reellen Leben für Christus im Armen und Leidenden. Sie behandelt sie nicht als soziale Problemfälle, sondern ehrt in ihnen Christus. Ich möchte sie ernst genommen wissen in ihrem oft bezeugten Wunsch, in den Armen Christi Sehnsucht nach Liebe zu stillen. In jeder Kapelle ihrer weltweiten Niederlassungen kann man beim Kruzifix das Wort finden: „Mich dürstet!“ Darauf wollen sie und ihre Schwestern antworten in ihrer tagtäglichen Anbetung und in ihrem Einsatz für die Ärmsten der Armen, zu deren unentgeltlichen Dienst sie in einem vierten Gelübde sich verpflichtet wissen. Zu diesem Einsatz weiß sie sich in großer Dringlichkeit und Eile gerufen nach dem Vorbild Marias, die in Eile zu ihrer Verwandten Elisabeth aufbrach, um ihr beizustehen. Es ist eine zutiefst marianische Berufung, die Mutter Teresa lebt und verwirklicht. Gerade so lebt sie ihre Berufung, ganz zu Christus zu gehören.

Msgr. Dr. Peter Wolf

 

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