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Haus Moriah Karl Leisner Bischof Piguet - Priesterweihe

Vor 75 Jahren

Priesterweihe und Primiz im KZ

aus: Bischof Gabriel Piguet, Gefängnis und Deportation, Paris 1949
hier entnommen aus: Rundbrief Nr. 23 des Internationalen Karl-Leisner-Kreises – Dezember 1990

Eines Tages im Oktober fragte mich Pater de Conninck, Jesuit, Professor an der Universität von Louvain und Superior der Residenz in Brüssel, ob ich dazu bereit wäre, einem deutschen Diakon aus der Diözese Münster das Sakrament der Priesterweihe zu erteilen. Dieser wäre bei allen Priestern und Mönchen seines Landes sehr beliebt und leider trotz seiner kräftigen körperlichen Verfassung nach einer langen, sechsjährigen Gefangenschaft an der Tuberkulose erkrankt. Und der Jesuitenpater fügte hinzu:

„Die Weihe eines Priesters in diesem Lager, das der Vernichtung von Priestern dient, wäre eine Vergeltung Gottes und ein Siegeszeichen des Priestertums über das Nazitum.“ „Mein Vater“, antwortete ich, „ein Bischof könnte sich nicht entziehen, wenn es darum geht, das Priesteramt zu übergeben, und ich werde keinen Moment zögern, diese Priesterweihe durchzuführen. Es gibt allerdings Bedingungen, die zu erfüllen sind, und die Sie so gut kennen wie ich: Die Genehmigung des Bischofs, aus dessen Seminar er kommt und die Genehmigung des Erzbischofs von München, in dessen Diözese die Priesterweihe stattfinden wird.“

„Das versteht sich von selbst“, sagte der Pater. „Die deutschen Priester werden sich darum kümmern. Aber wir wollten erst Ihr Einverständnis haben, weil Sie hier der einzige sind, der die Priesterweihe erteilen kann.“

Wochen vergingen, ohne dass von dieser Sache gesprochen wurde. Eines Tages im Dezember kam der Pater de Conninck wieder zu mir und strahlte vor Freude. Er zeigte mir einen Brief, der von der Schwester des deutschen Diakons geschrieben worden war. Mitten in diesem Brief gab es einen Schriftwechsel mit diesen einfachen Worten, die vielleicht wörtlich, auf jeden Fall aber folgendem entsprechend lauteten:

„Ich genehmige die erbetenen Zeremonien unter der zweifachen Bedingung, dass sie gültig vollzogen werden können und dass von ihnen ein sicherer materieller Beweis übrigbleibt.“

Es folgte die Unterschrift nur mit dem Vornamen des Erzbischofs von Münster, dem berühmten Mgr von Galen, der 1945 Kardinal geworden sein musste und der, weil er den deutschen Machthabern sehr verdächtig war, alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen hatte treffen müssen, um eine Nachricht dieser Art, verloren inmitten eines Briefes der Familie, zu schicken.

„Genügt Ihnen dieses Dokument?“ fragt mich Pater de Conninck. „Selbstverständlich“, antwortete ich. „Unter diesen Umständen kann ich kein kanzleigeprüftes Schriftstück fordern. Das Wesentliche für mich ist, die Sicherheit zu haben, dass der vor der Weihe stehende Geistliche von seinem Bischof gerufen ist, und seine Einwilligung dient unter den vorliegenden Umständen genauso wie die sonst unerlässlichen Entlassungsbriefe.“

Die Einwilligung des Erzbischofs von München war durch die Vermittlung unseres Hostienlieferanten, den Pfarrer von Dachau, leichter zu erfragen und zu erhalten. Tatsächlich erhielt ich einige Tage später ein Pontifikal, das Öl der Katechismusschüler, das zur Priesterweihe nötig war und darüber hinaus die Tunicella und die Handschuhe, die die liturgischen Kleidungsstücke unserer Sakristei vervollständigten. Die Priesterweihe wurde auf den dritten Adventssonntag, den 17. Dezember, gelegt. Trotz des Verbotes, die Krankenstation zu verlassen, war der Diakon zur verabredeten Zeit, das heißt nach dem Appell am Sonntagmorgen in der Kapelle des Blocks. Um mich herum befanden sich zuerst Priester aus der Diözese Münster, all die Seminaristen, für die ich bevorzugte Plätze gefordert hatte, zahlreiche Priester, die Gruppen verschiedener Nationen vertraten und ein evangelische Pfarrer, der die Zeremonien sehen wollte und der einem Priester geholfen hatte, meine liturgischen Sandalen anzufertigen. Kein noch so geringer vorgesehener Ritus wurde ausgelassen. Die Andacht, die Inbrunst und die Ergriffenheit waren bei allen auf ihrem Höhepunkt. Es schien mir, als wäre ich in meiner Kathedrale oder in der Kapelle meines großen Seminars. Nichts, absolut nichts an religiöser Größe fehlte dieser Priesterweihe, die wahrscheinlich einzigartig in den Annalen der Geschichte ist.

Authentische Protokolle mit Miniaturmalereien von Künstlern des Blocks wurden angefertigt und an den Erzbischof von Münster geschickt. Die Heimlichkeit dauerte bis zum Schluß. Wir hatten das Geheimnis gut bewahrt.

Ich hatte über die Erklärung nachgedacht, die ich gegeben hätte, wenn ich von der Polizei unterbrochen worden wäre. Aufgrund der religiösen Unwissenheit der Wächter schien es mir am einfachsten zu antworten, ohne irgendetwas zuzugeben. Tatsächlich fragte man mich überhaupt nichts.

Als mich aber die deutschen Priester baten, mit meinen Bischofskleidern und an der Seite des neuen Priesters und seiner Mitbrüder, die uns während der Zeremonien umgeben hatten, vor einem ebenfalls heimlich beschafften Photoapparat zu posieren, weigerte ich mich. „Ich bringe mich in Gefahr, um einen Priester zu weihen, aber ich bringe mich nicht für eine Photographie in Gefahr, die ein Beweis gegen mich sein kann, und aufgrund derer man mich vielleicht verurteilen kann. Vor allem kann ich meine Diözese nicht vergessen, die mich erwartet, und in die ich zurückzukehren hoffe.“

Nach dieser großartigen Feier mußte ich mich einige Augenblicke entspannen, ich war am Ende meiner Kräfte. Im Block der Priester hatten die Freude und die Dankbarkeit zu Gott ihren Höhepunkt erreicht. Genau dort, wo das Priestertum bis zum letzten Punkt gedemütigt worden war und wo es ausgelöscht werden sollte, war die göttliche Vergeltung deutlich sichtbar gewesen: Ein Priester mehr war zum Priesterstand Christus’ geboren worden. War dies nicht das Vorzeichen eines Zusammenbruchs, den wir nahe vermuteten und erwarteten? Schien die Anwesenheit eines Bischofs, die für die gefangenen Priester so tröstlich war, dort nicht wie eine göttliche Bestätigung ihres Wertes und ihrer Zweckmäßigkeit inmitten so vieler Prüfungen?

 
 

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