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Haus Moriah Nachrichten Bericht Rundbrief 5/17

Abenteuer Putumayo

Nann 05-2017 1
4 Wochen im Boot, 1200km, 22 Dörfer
 

 

Vom 20.4. bis 19.5. war ich unterwegs auf dem Fluss Putumayo, dem Grenzfluss zwischen Peru und Kolumbien. 2/3 des 1300km langen peruanischen Teils gehören zu meiner Pfarrei, alle 39 Dörfer liegen an diesem Fluss. Er ist hier ungefähr so breit wie der Rhein bei Breisach, weniger tief aber mit sehr vielen Seitenarmen und Inseln schlängelt er sich mit unzähligen Windungen durch den Urwald. In der ersten Jahreshälfte steigt er um einige Meter an und überschwemmt mit seinen schlammhaltigen Wassern den sonst recht sandigen und wenig fruchtbaren Boden. So sind diese Überschwemmungen ein Segen und ein Fluch zugleich, wenn sie zu früh kommen, vernichten sie die Ernte, machen das Leben im Dorf kompliziert (die Häuser stehen ja auf Pfählen aber von einem Haus zum anderen gehts dann nur im Kanu) und vor allem verbreiten sich diese fürchterlichen Stechmücken ungehindert, das heißt Durchfall, Malaria, Dengue-Fieber.

Pfarrei El Estrecho
Mit im Boot waren vier Personen: Bea, eine polnische Laienmissionarin, die zum dritten Mal diese Tour organisiert, Saul ein junger Mann aus der Pfarrei, Raul der Steuermann und Gisella, die Köchin. Die Tour ist nicht billig, der Motor gehört der Pfarrei, das Boot ist geliehen und der Sprit (5 Fässer) kostet etwas mehr als 1000 Euro, ungefähr sechs Monate Mindestlohn in Peru. Das 19m lange Holzboot hatte fünf Schlafpritschen mit Schaumstoffmatratze und Moskitonetz, der einzig sichere Ort vor den verfluchten Plagegeistern. Das Mückenschutzspray oder Öl half zwar ganz gut gegen die Schnaken, aber die wesentlich kleineren Mosquitos die einem lautlos in die Haut beissen, haben sich daran nicht im geringsten gestört.

Nann 2017-5 2
Die Schlafstelle war überdacht und mit Plastik verstärkt, was wunderbar gegen die plötzlichen und starken Regenfälle war, aber tagsüber bei Sonne einfach zu viel Hitze erzeugte. Lange Ärmel sind ein Schutz aber nach einer Stunde war das Hemd verschwitzt. Mit einem Fächer Wind zu machen war das einzige was half. Die Einheimischen waren auch überall mit Stichpunkten übersät, da half nur eines: Zähne zusammenbeissen.

 

 

Das Klo im Boot war nur 1,5m hoch und duschen musste man sich mit einem Eimer zwischen den Benzinfässern, das war ein Fressen für die Mücken. Ich war nach wenigen Tagen völlig genervt, vor allem als auch noch mehrmals der Motor ausfiel. Ich war drauf und dran alles hinzuschmeissen. Was mir geholfen hat waren die langen Stunden des Ausruhens in der Nacht. Da es auf den meisten Dörfern keinen Strom gab, ging man um 8 ins Bett bis am nächsten Morgen um 6.

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In den 39 Dörfern gibt es acht Ethnien (Huitotos, Orejones, Maijuna, Bora, Yaguas, Ticuna, Quichua und Ocaina). Allerdings haben sich seit dem Völkermord in der Kautschukzeit (um 1900) die Etnien vermischt und die Sprachen und Traditionen sind am Aussterben. Nur in einem Dorf wird noch wirklich untereinander Tikuna gesprochen, in den restlichen gibt es noch ein zwei Alte, die oft auch noch unterschiedliche Sprachen sprechen. Es wird keine traditionelle Kleidung mehr getragen, aber in der Vorstellung was Gott ist, die Seele und die Heilung von Krankheiten, da haben sich noch viele alte Werte erhalten, die wir als Kirche nicht ablehnen. Ja so hat Gott früher zu den Alten im Urwald gesprochen, das ist so etwas wie das Alte Testament, auf dem der Glaube an Jesus Christus dann aufbaut.

Interessant am Leben am Fluss ist: Jedes Kind ab drei Jahren kann schwimmen. Ab fünf Jahren können sie schon Kanu fahren und fischen und wenn sie ihr erstes Wildschwein geschossen haben, können sie auch eine Familie ernähren und gründen.

Die kleineren Dörfer haben 5-10 Familien und ca 50 Einwohner. Die meisten sind verwandt. Der Häuptling (cacique) wird gewählt. Es ist eine Subsistenzwirtschaft. Man produziert um zu leben, es gibt kaum Verkauf oder Einkauf von Waren. Es gibt auch kaum eine Möglichkeit etwas zu verkaufen, Fisch kann nicht 14 Tage lang transportiert werden bis in den Rest von Peru. Holz wird an der Grenze scharf überwacht, im Augenblick gibt es nur eine legale Möglichkeit gut zu verdienen: Der Arahuana-fisch (ich vermute dass es sich um den Drachenfisch handelt) laicht im März bis April. Dem Mutterfisch werden seine Laiche aus dem Mund gezogen und dafür bekommt der Fischer von einem Aufkäufer ca. 50 Euro. Man sagt, dieser Fisch sei bei den Chinesen sehr beliebt. Seit zehn Jahren währt der Boom, wie lange noch? Sonst gibt es natürlich noch die illegalen Geschäfte: Edelhölzer, deren letzte Exemplare man immer tiefer im Urwald suchen muss. Kolumbianische Händler zahlen gut. Coca natürlich, früher war hier auf beiden Seiten des Flusses ein wahres Drogenanbaumekka, aber das hat sich in den letzten Jahren doch sehr geändert. Die Präsenz und Zusammenarbeit von Militärpatrouillen beider Länder hat das Geschäft schwieriger gemacht. Das gleiche gilt für die illegalen Goldwäscher. Auf grossen Flößen wird der Sand am Ufer abgepumpt, mit Quecksilber versetzt und nachher wird von Hand das Quecksilber und das Gold getrennt. Auch da haben beide Staaten diesen Umweltverschmutzern und Sich-selbst-vergiftern den Krieg erklärt. Ca sechs diesser Flöße sind bereits vernichtet worden. Das Problem ist: Die einzigen größeren Dörfer, die wachsen, weil es dort Arbeit gibt, leben von diesen illegalen Aktivitäten, ich schätze es dürften ca 50 Familien sein.

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Wenn wir in ein Dorf kommen, wird zu erstmal der Kazike besucht. Mit ihm machen wir aus, wann die Dorfversammlung sein kann, ob am gleichen Abend (geht meistens nicht, weil es keinen Strom gibt) oder am nächsten Morgen. Wenn das Dorf mehrheitlich katholisch ist, gibt es dann noch eine Feier, manchmal eine Messe. Insgesamt habe ich auf dieser Fahrt 42 Kinder und 6 Erwachsene getauft, nur dreimal Eucharistie gefeiert, weil niemand ausser dem Misssionsteam zur Kommunion gegangen ist, da waren Wortgottesdienste dann einfach die bessere Lösung.

Ca 1/3 der Dörfer sind jetzt mehrheitlich evangelikal. Bis in die 80er Jahre, als die Pfarrei mehr präsent war, waren noch alle katholisch und es gab Gemeindeleiter in allen Dörfern, die meisten feierten Wortgottesdienste am Sonntag. Da die Pfarrei nicht mehr kam wurde das nur noch in einem Dorf durchgehalten, aber es gelang mir, in mehreren Dörfern wieder Leute zu gewinnen, die sich darauf vorbereiten werden, Gemeindeleiter zu sein. Die meisten waren sehr erfreut, dass die Pfarrei nun wieder in den Dörfern auftaucht. Oft wurde ich etwas abwartend gefragt, ob ich denn länger bleiben würde. “Wenn Gott will” war dann meine Antwort.

So werde ich nun wahrscheinlich drei Monate im Jahr auf dem Fluss leben: zwei Reisen flussabwärts und zwei flussaufwärts. Nirgendwo gibt es Handyempfang, allerdings gibt es in fünf Dörfern ein öffentliches Telefon und in weiteren zehn ein Amateurfunkgerät, so dass die Schwestern am Pfarreisitz informiert werden können, wo wir gerade sind.

Kirche San Antonio in El Estrecho
Kirche San Antonio in El Estrecho
Ausschnitte aus einem Video
Ausschnitte aus einem Video
Gottseidank ist der Sitz der Pfarrei in der Kleinstadt El Estrecho, wo die Mücken (fast) kein Problem sind und ich zumindest übers Telefon erreichbar bin. Herzlichen Dank auch allen Spendern, ich bin heute nach langer Zeit mal wieder im Internet und muss mich erst mal informieren, was von wem gekomen ist. Ganz besonders möchte ich Euch um Euer Gebet bitten, in solchen Extremsituationen ist es die Kraft, die mich durchhalten lässt.

Iquitos, 22.5.17                                                                                   Euer Reinhold Nann

Blick auf El Estrecho nach Google Maps. Links oben: der Putumayo; links unten: die Rollbahn des 'Flughafens'.
Blick auf El Estrecho nach Google Maps. Links oben: der Putumayo; links unten: die Rollbahn des "Flughafens".
 

Padre Reinaldo Nann
Vicariato San José del Amazonas, Av. La Marina 1436, Punchana (Iquitos)
Cel 0051- 969961661, www.reinholdnann.blogspot.com

Spenden-Konten:
Privat: IBAN: DE53 7509 0300 0007 1054 87 
Pfarrei Vogtsburg: DE16 6806 3479 0024 1093 05 (Spende Reinhold Nann)

 

 
 

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