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Haus Moriah Nachrichten Apostelgeschichte 2019-17 01-05

Apostelgeschichte 2019


 

 Pfarrer Kurt Faulhaber 

 

Mai 2019 - Pastoral am Puls in Caravelí

Auf der Pastoralkonferenz der Praelatur von Caravelí (April 2019) kam eine Schriftrolle zum Einsatz. Einmal im Jahr kommen alle pastoralen Mitarbeiter_innen fuer eine ganze Woche zusammen. Das waren diesmal 40 Personen. Die riesigen Entfernungen und Schotterstrassen machen ein regelmaessigeres Treffen unmoeglich. Ein volles Programm!

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Der Schriftrolle hatte Bischof Reinhold eine spezifische Funktion bei diesem Treffen zugewiesen: An einem der Tage ging es um die Evaluation der zurueckliegenden Jahresarbeit, um Schwerpunkte fuer das weitere Jahr und die Formulierung eines Mottos fuer dieses Jahr. Das sollte anhand einer Schriftrolle geschehen.

Da waere man leicht auf die “schiefe Ebene” einer blossen Methode gerutscht. Aber “die Schriftrolle ist keine Methode!”, stellen wir immer wieder klar. Und hier war sie mehr und bewirkte mehr.

1. Die Einfuehrung (knapp eine Stunde) ging konzentriert um die “pastorale Bekehrung” (Papst Franziskus und centrales Anliegen von Bischof Reinhold), Gott als den primaer pastoral Handelnden zu achten und das eigene Tun als Mitwirken zu verstehen.

Ein Zeugnis kam uns zu Hilfe. Bei den Exerzitien im Februar hatten wir mit Hilfe der Schriftrolle am Ende gefragt: Was hat uns Gott persoenlich und als Gemeinschaft durch diese Exerzitien sagen wollen? Jetzt erzaehlte ein Priester mit leuchtenden Augen und lebhafter Sprache von diesem Vorgang, zeigte die Schriftrolle aus den Exerzitien und erklaerte sie mit dem Hinweis auf die Apostelgeschichte, als die Apostel Paulus und Barnabas ueberall erzaehlten, was Gott mit ihnen zusammen getan hatte.

Ich selber konnte das dann weiterfuehren, vertiefen und in den Kontext der Zeit (s.u. 7.) stellen.

Zur Beantwortung der Frage: Woran erkennt man das Handeln Gottes? stellte ich die in der Pastoral am Puls inzwischen gaengigen Symbole vor: das brennende Herz und die geoeffnete Tuer. Fuer das “Mehr” Gottes, auch schoepferische Resultante genannt, haben wir kein Symbol; das entstand hier spontan:

Man hat etwas vorbereitet, gut geplant, der “Rahmen” ist vorgegeben. Aber dann wird “mehr” daraus, als erwartet, als vorgesehen. Der vorgegebene Rahmen wird gesprengt.

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2. In Gruppen wurde dann gefragt: Wo haben wir im vergangenen Jahr das Handeln Gottes wahrgenommen?

Das berichtete dann jede Gruppe und schrieb es auf die Schriftrolle.

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3. Dabei kam es zu einem ueberraschenden Vorgang: Kein einziges konkretes Geschehen wurde genannt. Es waren alles biblisch orientierte Texte in allgemeiner Form. Aber das zeigte zumindest: Es war angekommen, dass hier Gott seine Geschichte mit uns weiterschreibt und dass wir gleichsam das Evangelium oder die Apostelgeschichte heute weiterschreiben.

Ein Beispiel: Eine Gruppe schrieb: >“Dass alle eins seien, wie du, Vater, und ich eins sind.” Der Herr will uns einen in einer einzigen Mission.<

4. Das machte einen zusaetzlichen Schritt notwendig.

In einem Impuls machte ich deutlich: Gott handelt hier, heute und ganz konkret. Die Evangelien erzaehlen, was sich ereignete und nennen haeufig den Ort – im Haus, auf dem Berg, am See usw. – und die Zeit – am Morgen, Abend, am ersten Tag der Woche, um die zehnte Stunde usw.

Auch ich erzaehlte selber einen Vorfall vor einigen Tagen in Pullo.

Jetzt stellten wir die Frage: Stehen hinter Ihren Saetzen konkrete Erfahrungen? Erzaehlen Sie! Und tatsaechlich wurden Erlebnisse erzaehlt und es wurde begruendet, warum man diese Schriftstelle ausgewaehlt habe. Die Gruppe “dass alle eins seien” (s. 3) berichtete: ein schwerer Hagel hatte das Kirchendach eingeschlagen, so dass die Kirche fuer geplante Jugendveranstaltungen nicht benutzt werden konnte, aber ein geeigneter Raum aehnlicher Groesse stand nicht zur Verfuegung. Doch viele halfen zusammen, so dass die Veranstaltungen unter eingeschraenkten Bedingungen doch stattfinden konnten. Das Zusammenwirken vieler machte das moeglich. Deshalb die Schriftstelle von der Einheit.

Mir zeigte sich da ein interessanter Vergleich: In Deutschland schreiben wir Konkretes auf. Dann suchen wir die “Horizontverschmelzung” mit einem biblischen Wort oder Geschehen (allerdings meistens nicht). Hier geschah es genau umgekehrt.

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5. Es hatten sich schon in den Tagen vorher einige Bereiche herauskristallisiert, die Schwerpunkte in der bevorstehenden Jahresarbeit sein sollten: Mission – Caritas – Katechisten – Jugend – Volksfroemmigkeit. Die nanten wir jetzt “Wachstumsfelder”.

Jede_r sollte sich fragen: Fuer welches dieser Felder brennt mein Herz? Nach diesen 5 Feldern bildeten sich Gruppen mit den Fragen:

a Wo hat der GOTT DES LEBENS schon Leben geweckt?

b Welche Beduerfnisse hat der GOTT DER HERZEN geweckt?

c Ist schon tendenziell zu erkennen, welchen PLAN GOTT mit diesem Wachstumsfeld hat?

d Gibt es Ideen fuer unser AKTIVES MITWIRKEN?

Wieder zeigte sich im Plenum: Es gab erneut allgemein religioes gehaltene Antworten. (Das, erklaerte mir Bischof Reinhold, sei typisch fuer Peru: Man habe im Seminar gelernt, verallgemeinernd, grundsaetzlich, lehrhaft zu sprechen.)

6. Da die Antworten zu c und d auf die Schriftrolle geschrieben worden waren, zeigte sich: Es gab Schluesselworte, die mehrfach auftraten. Und jede Gruppe hatte das Wort “acompañar”, begleiten, aufgeschrieben.

Bischof Reinhold gab den Auftrag, aus diesen Schluesselbegriffen das Jahresmotto zu formulieren. Das weckte viel Kreativitaet und fuehrte zu acht Vorschlaegen, einer sogar dichterisch als Sprechgesang. Schliesslich fand am naechsten Morgen ein Motto die nahezu einstimmige Zustimmung:

ENVIADOS PARA ACOMPANAR CON MISERICORDIA.

(woertlich: Gesandt zu begleiten mit Barmherzigkeit)

7. Im vergangenen Jahr wurde als “fundamentales Problem” (neben den grossen Entfernungen) die Saekularisierung ausgemacht. Sie wird vor allem an einer Stelle bedraengend wahrgenommen: Das Internet hat die Jugendlichen erobert und uebt in Konkurrenz zu den gemeindlichen Angeboten eine grosse Faszination aus. An dieser Stelle “broeckelt” die Volkskirche.

Dennoch hatte ich den Eindruck: Das “fundamentale Problem” ist in den pastoralen Ueberlegungen und Taetigkeiten noch nicht angekommen. Es gibt noch keine pastorale Antwort darauf.

Ich habe versucht, meine Impulse in den Horizont der Zeit hineinzustellen, damit wir nicht unsere pastoralen “Maulwurfshuegel” als Berge ansehen und die Herausforderungen uebersehen, von denen die Zukunft des Christentums abhaengt.

Ich will dieser Frage an anderer Stelle nachgehen.

8. Am Schluss konnte ich konkrete Erfahrungen weitergeben:

- einander Erfahrungen erzaehlen, wo wir das Wirken Gottes wahrgenommen haben. Es hat sich bewaehrt, bei pastoralen Zusammenkuenften damit zu beginnen, etwa eine Viertelstunde, in geistlicher Atmosphaere.

- Da nicht damit zu rechnen ist, dass jemand mit einer Schriftrolle beginnt und wir auch gar nicht darauf hingearbeitet haben, habe ich nur kurz einige Hinweise zum Fuehren einer Schriftrolle gegeben.

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9. Reaktionen:

- Eine ganze Reihe kamen eigens auf mich zu mit den Worten: “gracias!” oder “bueno!”, “interesante!”, “genial”; einige noch bei der Verabschiedung drei Tage spaeter.

- ein Seminarist hielt mir sein Handy mit der Google-Uebersetzung vor die Augen: “Vielen Dank, dass Ihre Worte prophetisch waren”

(Da durch das sprachliche handicap nicht mehr an Verstaendigung moeglich war, gebe ich die Aussagen von Bischof Reinhold wieder)

Bischof Nann (WhatsApp): Wir haben “eine tolle Schriftrolle auf der Pastoralkonferenz gemacht. Kam sehr gut an bei Priestern und Ordensschwestern der Praelatur.”

Am Ende des pastoralen Teiles der Konferenz konnten die Teilnehmer_innen eine einminuetige Rueckmeldung ueber die gesamte Konferenz geben. Darueber Bischof Reinhold: “Es waren wunderbare Rueckmeldungen fuer die Pastoral am Puls.” 2/3 der Teilnehmer_innen kamen auf sie zu sprechen. Es sei fuer sie neu aber beeindruckend gewesen; einer meinte, es haette wie ein Einkehrtag gewirkt.

Bei der Verabschiedung zeigte sich, dass “der Rahmen gesprengt” wurde. Obwohl wir nicht beabsichtigt und nicht damit gerechnet hatten, dass jemand selber eine Schriftrolle fuehren wuerde, teilte die Schwesterngemeinschaft, die die Pfarrei von Jaqui an der Kueste leitet, mit, dass sie beschlossen haetten, eine gemeinsame Schriftrolle zu beginnen. Es ist dieselbe Gemeinde, in der auch auf Initiative einer Frau in vielen Haeusern Pilgerheiligtuemer unterwegs sind.

Ein Seminarist berichtete, er habe 19 Jahre lang eine persoenliche Schriftrolle zu seinem Berufungsweg geschrieben und wolle das nun fortsetzen, weil Gott dadurch zu ihm spreche.

Und Bischof Reinhold hat vor, bei dafuer geeigneten Zusammenkuenften in der ersten Viertelstunde ein Erzaehlen ueber Erfahrungen des Handelns Gottes anzuregen.

Fortsetzung

 
 

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